Vom Text zum TikTok-Video

© Lissi Savin

Der Wind fegt am Fenster vorbei, der Regen prasselt herunter und der Himmel ist wolkenverhangen. Im Klassenzimmer stehen heute die Poetry-Slammer*innen Eva Matz mit buntem Hut und Nele Müller vor einem Flipchart - der Deutschunterricht läuft wieder ganz anders als gewohnt.

Es ist der zweite und letzte Tag des Spoken Word Workshops "Wir wollen nicht länger schweigen". Heute wollen die Schüler*innen ihre Texte zum Thema Gerechtigkeit fertigschreiben und sie dann in TikTok-Videos umwandeln.
Um die noch müden Schüler*innen zu wecken, starten sie mit einem Warm-Up: „Ihr sollt eine Mini-Theaterszene entwickeln. Dabei dürft ihr nur bestimmte Wörter benutzen. Es muss uns Zuschauer*innen aus der Szene trotzdem klar sein, wo ihr seid. Jeder soll ein Wort sagen“, sagt Eva Matz und zeigt auf das Flipchart, auf dem Worte wie Hallo, Was, Okay und Tschüss geschrieben stehen. Auf die Frage hin, ob die Zehntklässler*innen schon Theater gespielt haben, kommt ein enthusiastisches „Ja!“. Beste Voraussetzungen, findet Nele Müller.

Eva Matz schreibt auf dem Flipchart
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Die Schüler*innen stellen eine Bettlerszene nach.
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Warm-Up

Es werden drei Gruppen gebildet, die sich im Klassenzimmer und im Gang davor verteilen. Fleißig wird gegrübelt und mit Requisiten geprobt, bis sich schließlich alle im Klassenzimmer versammeln, um sich gemeinsam die entstandenen Szenen anzusehen. In der ersten Szene befinden sich drei Schüler*innen auf einem Basketballplatz, dann geht Max mit seiner Kappe und flehendem Blick auf Asya und Surya zu. Alex läuft ignorant an ihm vorbei und sagt „Nein“, während die beiden Mädchen wohlwollender sind. Asya legt mit einem „Okay“ etwas in Max‘ Kappe. Nachdem die dritte Gruppe eine Lehrer-Schüler-Szene inszeniert, stellt Eva Matz zufrieden fest, dass alle Szenen sehr unterschiedlich umgesetzt wurden.

 

 

„Eine Prinzessin kann eine Prinzessin haben. Ein Prinz kann einen Prinzen haben.“

Nun geht es an die Manuskript-Vorbereitungen: Die Schüler*innen setzen sich an ihre noch unvollendeten Texte aus dem ersten Workshop oder fangen an, neue zu schreiben. Die Poetry-Slammer*innen laufen umher, besprechen mit jedem*r Schüler*in intensiv ihre Werke. Immer wieder sagen sie, wie gut und spannend sie die Texte finden und geben Ratschläge, wie sie noch aussagekräftiger werden können. Asya liest Nele Müller ihren Text vor: „Eine Prinzessin kann eine Prinzessin haben. Ein Prinz kann einen Prinzen haben.“ Sie erzählt der Autorin, dass sie ihren Text aus dem Türkischen übersetzt und sich bei einem Satz nicht sicher ist. Nele Müller schlägt vor: „Schreib den Satz doch auf Türkisch, wenn er sich so schöner anhört. Im Video kannst du dann mit Untertiteln arbeiten.“

Nele Mueller bespricht mit einer Schülerin ihren Text.
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Los geht's mit den Dreharbeiten

Zwei Schülerinnen drehen mit dem Smartphone ein Video.
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Nach der Mittagspause scheint die Sonne ins Klassenzimmer. Nele Müller bespricht zum letzten Mal mit Swantje ihren Text, bevor es an den Videodreh geht. Nach zwei Aufwärmübungen, in denen die Schüler*innen Dampf ablassen und mit Mimik Emotionen zeigen, verteilen sich die Schüler*innen entweder alleine oder in kleinen Gruppen im Erdgeschoss. Max bleibt sitzen und nimmt eine Sprachnotiz auf. Surya und Paula bauen in einem anderen Klassenzimmer ein improvisiertes Stativ und werfen mit ihrem Tablet ein Bild auf das Smartboard.
Im Flur schaut sich Eva Matz das Video von Ahmet, Pascal und Alex an. Ein paar Fenster weiter legen Linda und Katharina einen Soundtrack unter das Video. Und um die Ecke nimmt Nele Müller das Voice-Over von Swantje auf. Am Ende wird die Zeit knapp, doch Eva Matz und Nele Müller lassen den jungen Poet*innen ausreichend Zeit, ihre Texte in kleine TikTok-Meisterwerke zu verwandeln.

Text: Lissi Savin