Emilia Roig

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Emilia Roig spricht mit Zuschauenden

© Rike Oehlerking


In der Lesung mit Emilia Roig, die das Literaturhaus gemeinsam mit Queeraspora e.V. und der Stadtbibliothek Bremen organisiert hat, wird schnell deutlich, wie sehr ihr neues Buch Lieben sich von ihren bisherigen Veröffentlichungen unterscheidet, denn es ist ihr bisher persönlichstes Werk. Die Bestseller-Autorin und Denkerin liest an dem Abend Passagen aus dem Essay, in dem sie sich mit ganz verschiedenen Aspekten des Liebens beschäftigt. Obwohl laut einer Umfrage etwa die Hälfte des Publikums das Buch gar nicht gelesen hatte, bot der Abend dennoch viele spannende Denkanstöße und Einsichten für alle Zuhörer*nnen. 

Roig stellt traditionelle Vorstellungen von Liebe und dem Lieben in Frage, wobei sie nicht nur von romantischer Liebe spricht, sondern auch über familiäre Beziehungen, die Liebe zur Natur oder zum Kosmos. Besonders tiefgehend sind ihre Schilderungen zur mütterlichen Liebe, wie sie diese in der eigenen Kindheit erlebt und wie das Idealbild der „perfekten Mutter“ heute ihre eigene Rolle als Mutter beeinflusst. Außerdem ist es sehr bemerkenswert, wie sie patriarchale Strukturen, das Konzept der Nuklearfamilie sowie die Beziehung zum Vater und Erfahrungen mit Scheidung thematisiert. 

Zudem ist es ziemlich eindrucksvoll, wie sie ihre Erfahrung mit sexueller Gewalt in Worte fasst. Hierbei betont sie ausdrücklich, dass sie das sensible Thema absichtlich anspricht, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Sehr bemerkenswert ist auch ihre Ankündigung einer Triggerwarnung vor der Passage und wo sie das Publikum darauf hinweist, dass sie Verständnis dafür habe, wenn jemand den Saal kurz verlässt. Eine starke Geste. 
Ein weiterer bewegender Punkt ist, als sie über ihre persönliche Geschichte mit dem Verlust ihres Sohnes wiedergibt. Sie erzählt davon, wie diese Liebe sich dann anders ausdrückt, wie beispielsweise durch die Pflege ihrer Pflanzen zuhause. 

Im anschließenden Gespräch mit Can Venzky von Queeraspora e.V. und dem Publikum öffnen sich weitere Perspektiven. Auf die Frage, wie es überhaupt zu diesem Buch kam, antwortet Roig ehrlich: Eigentlich wollte sie gar kein Buch über das Lieben schreiben, es war eine Vorgabe des Verlags. Sehr ehrlich und direkt erzählt sie, wie es zu Schwierigkeiten und Hürden kam, die sie während des Schreibprozesses überkommen musste. 

Was besonders hängen geblieben ist, ist ihre Fähigkeit, spontane Fragen aus dem Publikum mit tiefgründigen Antworten und Gedanken zu beantworten. Dies war ein passender Abschluss für einen Abend voller Tiefe und Vielschichtigkeit.

Text: Michelle Bosnak

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Eine Kooperation des [virt.] Literaturhaus, von Queeraspora e.V., der Stadtbibliothek Bremen, des Bremer Literaturkontors und des Rat&Tat–Zentrum für queeres Leben.
Mit freundlicher Unterstützung des Senators für Kultur, der Karin und Uwe Hollweg Stiftung und der Stiftung schwule freunde bremen.