# 118: Paula-Sophie Prüßner (Stadtbibliothek Bremerhaven): "Wir sind ein Ort, wo sich jeder aufhalten kann." [27:41]
Die Stadtbibliothek Bremerhaven bietet mehr als Bücher – hier gibt es 3D-Druck, Bilderbuchkino, eine „Bibliothek der Dinge“, Kaffee, Schach und sogar Saatgut. Jonas Dahm trifft die Leiterin Paula-Sophie Prüßner zu einem Rundgang durch das Haus. Die beiden sprechen über soziale Funktionen öffentlicher Bibliotheken, Strandkörbe mit Hafenblick und den Literarischen Herbst, der im September Autor*innen wie Ursula Krechel, Kristine Bilkau und Thea Mengeler in die Stadt am Meer zieht.
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Jonas Dahm:
Herzlich willkommen zum Literaturhaus Podcast Bremen, heute hier aus der steifen Brise am Bremerhavener Fischereihafen. Ich treffe mich gleich mit Paula-Sophie Prüssner, der Leiterin der Stadtbibliothek Bremerhaven, die mir erklären wird, wie so eine Stadtbibliothek heute funktioniert, was man alles machen kann. Und was uns der literarische Herbst bringen wird, der hier im September stattfindet und zudem verschiedene AutorInnen hier in die Stadt kommen. Ich schwinge mich jetzt auf mein Rad und fahre darüber und ich wünsche euch eine schöne Folge. Viel Spaß!
Was wir hier hören, ist der Schlüssel der Stadtbibliothek Bremerhaven. Wir gehen durch den Haupteingang rein und ich bin hier mit Paula-Sophie Prüssner. Du bist auch noch gar nicht so lange hier. Seit wann machst du die Leitung in der Stadtbibliothek?
Paula-Sophie Prüßner:
Ich bin ganz frisch in Bremerhaven. Ich habe hier zum 01.01.2025 die Leitung übernommen, dementsprechend bin ich noch gar nicht so lange da. Aber es macht unglaublich viel Spaß, hier das Haus erst mal kennenzulernen, erst mal hereinzukommen. Deswegen freue ich mich auch sehr, dass du heute bei uns bist und mit uns den Raum hier mal entdeckst: Was ist hier eigentlich alles auf der Fläche los?
Jonas Dahm:
Sehr schön. Wir stehen hier auch schon mitten im Raum. Wenn man hereinkommt, wir sind hier im Hanse Carree, da fährt man erstmal hoch mit dem Fahrstuhl in die zweite Etage. Dann geht man durch eine Tür und dann steht man schon mitten im Geschehen. Wir sehen hier Büchereien und einen großen, großen Raum. Auf einer Etage spielt sich alles bei euch ab. Wenn ich jetzt als Besucher hier hereinkomme – was empfängt mich?
Paula-Sophie Prüßner:
Erstmal unsere top aktuellen Medien, also gerade Spiegel-Bestseller, aber auch passende Medien zu unseren Veranstaltungen und passende Literatur, die wir hier ausstellen. Aber wir sehen ja auch: Es ist sehr viel mehr los, als dass nur Bücher in Medienregalen stehen. Dementsprechend würde ich gerne mit dir herumgehen.
Jonas Dahm:
Das machen wir sehr gerne.
Paula-Sophie Prüßner:
…dass wir die unterschiedlichen Bereiche einfach mal kennenlernen. Wenn wir links herumgehen, ist hier direkt die Jugendbibliothek. Von Comics, Gesellschaftsspielen – und natürlich auch den aktuellen Booktok-Highlights – haben wir hier alles.
Jonas Dahm:
Booktok muss man glaube ich kurz erklären. Was ist denn ein Booktok?
Paula-Sophie Prüßner:
Booktok ist ein Format, das sich natürlich auf TikTok etabliert hat. Da besprechen viele unterschiedliche Akteur:innen Bücher, highlighten das auch so ein bisschen und geben Leseempfehlungen. Das ist ein Format, das sich insbesondere bei der jungen Generation sehr schnell sehr gut entwickelt hat. Aber ich muss sagen, dass die Fans von Booktok-Empfehlungen sich weit darüber hinaus entwickelt haben. Gerade auch Erwachsene finden Zugang zu Fantasy-Romanen und wir haben auch viele Erwachsene, die dann hier stehen und sagen, wo sind die Booktok-Highlights?
Jonas Dahm:
Wir stehen hier vor der Jugendbibliothek, das hast du ja schon gesagt. Ich sehe so ein paar Tische, einzelne Stühle, ein Sofa, wo man ein bisschen rumhängen kann. Hier gibt es ja noch viele Bücher – das ist auch schon noch ein Ort zum Lesen? Das Buch dominiert noch den Raum, wenn ich hier reinkomme.
Paula-Sophie Prüßner:
Bei öffentlichen Bibliotheken ist es generell so, das Buch ist das physische Kernmedium von öffentlichen Bibliotheken, das bleibt es auch, aber letztendlich geht die Medienvielfalt, die sich gerade in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt hat, weit darüber hinaus. Wir reden hier über Gaming, wir reden über AV-Medien, also audiovisuelle Medien, von Film, Filmstreaming, über Musik-CDs, Hörbücher, Tonys als Kindermedien. Das ist alles mit in der Medienvielfalt.
Jonas Dahm:
Ich sehe hier auch das DIY-Sticker-Lab für alle von 14 bis 18 Jahren. Das heißt, ich dürfte nicht mehr mitmachen, aber was passiert denn da?
Paula-Sophie Prüßner:
Also da könntest du in dem Sinne jetzt nicht in deine Altersgruppe mehr hingehen, aber das ist eben ein Format, was wir gerade ausprobieren: mit Plotter deinen eigenen Sticker kreieren.
Jonas Dahm:
Da kann ich direkt den Sticker entwerfen und dann kann ich ihn irgendwo aufbringen, also aufkleben?
Paula-Sophie Prüßner:
Ausdrucken, mitnehmen oder hier in der Stadtbibliothek vielleicht auch tauschen. Das ist ein Format, das den Austausch fördert und natürlich die soziale Interaktion.
Jonas Dahm:
Das ist toll – und ganz viele Spiele stehen hier auch noch. Ich kann hier Siedler ausleihen und Nobody's Perfect und 6 Nimmt! das kenne sogar ich noch.
Paula-Sophie Prüßner:
Gesellschaftsspiele sind ein sehr wichtiges Medium, was unglaublich gut und viel ausgeliehen wird. Wir bieten dazu Spielenachmittage an, wo Menschen einfach mal ausprobieren können gemeinsam, okay, was ist denn mein neues Lieblingsspiel? Was funktioniert gut in der Gruppe? Das ist ein wirklich tolles Format, was wir hier anbieten.
Jonas Dahm:
Sehr schön, dann lass uns doch noch mal weitergehen. Wir kommen jetzt aus der Jugendecke raus und gehen in die Kinderbibliothek. Und da gehen wir erstmal an den lesenden Bremer Stadtmusikanten vorbei. Hier ist eine kleine Statue. Jetzt sind wir hier im Kinderbereich. Was passiert denn hier?
Paula-Sophie Prüßner:
Ganz viele unterschiedliche Dinge, alles auf einer Fläche. Das ist ein bisschen ein abgetrennter Bereich, damit die Familien mit den Kindern hier auch ganz für sich sein können. Zu Hochzeiten ist es natürlich auch immer ein Geräuschpegel, der hier vorherrscht, weil es einfach unglaublich gut genutzt wird.
Jonas Dahm:
Hier wird auch schon ein bisschen vorbereitet, für die erste Kindergruppe, die hier gleich ankommt und uns bestürmt?
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, genau: In puncto Leseförderung sind wir gerade mit dem Bilderbuchkino sehr frequentiert, also täglich finden mehrere Vorstellungen hier in Sachen Bilderbuchkino statt. Das ist natürlich ein unglaublich wertvolles Format, weil es einen niedrigschwelligen Zugang zu Leseförderung bietet.
Jonas Dahm:
Was ist denn ein Bilderbuchkino?
Paula-Sophie Prüßner:
Das ist letztendlich die visuelle Großdarstellung von Bilderbüchern. Die findet hier auf dem großen Screen statt.
Jonas Dahm: Wir sehen hier eine große Leinwand, die hängt hier mitten im Raum und da wird dann das Bilderbuch draufgeworfen?
Paula-Sophie Prüßner:
Genau. Und die Mitarbeitenden der Kinderbibliothek erzählen interaktiv die Geschichte den Kindern. Das wird unglaublich gut genutzt von Kitas, aber auch Grundschulklassen etc.
Jonas Dahm:
Welche Geschichte wird denn heute erzählt?
Paula-Sophie Prüßner:
Die kleine Schnecke wird heute präsentiert im Rahmen des Bilderbuchkinos.
Jonas Dahm:
Das klingt toll.
Paula-Sophie Prüßner:
Ja – und ansonsten haben wir hier zum Beispiel auch eine Familienküche. Hier können Familien mit Kindern unter Tags vorbeikommen, das eigene Essen mitbringen, sich vielleicht auch ein Fläschchen machen. Das ist alles im Rahmen des sicheren Ortes, dass man hier auch konsumfrei hinkommen und zusammen essen kann. Das ist ganz wichtig, weil viele Familien ja überhaupt keine Orte mehr haben, wo sie hingehen können unter Tags, um wirklich zur Ruhe zu kommen. Das ist uns ganz wichtig, die Familienküche hier im Rahmen der Kinderbibliothek.
Jonas Dahm:
Also, das ist auch ein Ort, wo ich nicht wie in einem Restaurant viel Geld ausgeben oder viel Geld mitbringen muss, um da erstmal sein zu können. Hier kann man einfach herkommen und kochen, lesen und sich Bilderbücher vorlesen lassen.
Paula-Sophie Prüßner:
Genau, also insgesamt ist die Bibliothek ein konsumfreier Ort, man braucht keine Mitgliedschaft bei uns, sondern kann wirklich einfach kommen, sich hier aufhalten und die unterschiedlichen Dinge, die wir anbieten, auch ausprobieren. Wir sind ein Ort für alle.
Jonas Dahm:
Ihr sitzt hier ja mitten in Bremerhaven, man kann ja so ein bisschen aus dem Fenster gucken und schaut hier so in die Innenstadt. Wer sind denn so die Leute, die zu euch kommen?
Paula-Sophie Prüßner:
Von bis – wir haben unterschiedlichste Zielgruppen, wir haben unterschiedlichste Menschen, die hier wirklich tagtäglich auch hinkommen. Von Kindern mit Familie natürlich, über Studierende, die an der Hochschule sind, die kommen hier hin zumLernen, über Jugendliche, die nach der Schule hier hinkommen, um zum Beispiel zu gamen. Eine Gaming-Ecke haben wir natürlich auch hier.
Jonas Dahm:
Hier stehen so zwei Bildschirme und zwei Gamersessel.
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, aber auch letztendlich ältere Menschen, die sich hier aufhalten wollen, die in Interaktion treten möchten. Unsere Lese-Lounge ist da, da gehen wir auch gleich noch hin. Aber dass wirklich ganz, ganz viele unterschiedliche Menschen aus Bremerhaven hier in die Stadtbibliothek kommen.
Jonas Dahm:
Da hören wir auch schon die Kindergruppe. Vielleicht gehen wir nochmal ein Stück weiter. Wir verlassen jetzt wieder den Kinderbereich, gehen hier an den Wartenden vorbei. Es gibt einigen Andrang für das Bilderbuchkino. Und jetzt sind wir wieder im Hauptraum und stehen hier vor Computern mit Internetzugang.
Paula-Sophie Prüßner:
Genau, wir haben auch sogenannte PC-Arbeitsplätze, Nutzerarbeitsplätze. Also das heißt, wenn jemand zum Beispiel keinen PC mehr zu Hause hat oder keinen Zugang zu Technik, kann er hier in der Stadtbibliothek die Nutzerarbeitsplätze nutzen, um auszudrucken, um zu recherchieren, um sich zu informieren. Das wird auch sehr gut genutzt, weil heutzutage hat ja nicht jeder auch noch einen Drucker zu Hause, ist ja auch nicht notwendig, sondern hier kann man wirklich für kleines Geld, du siehst die Preisliste…
Jonas Dahm:
10 Cent schwarz-weiß, Farbe 50 Cent. Das ist unschlagbar.
Paula-Sophie Prüßner:
Genau. Das bieten wir eben auch an und das wird auch sehr, sehr gut genutzt. Wir kommen jetzt in den Sachbuchbereich. Das ist auch ein sehr wichtiger Punkt. Medienbestand, den wir hier haben, ganz unterschiedliche Themen, die natürlich von historischen Themen über Gegenwartsthemen reichen. Im Hintergrund haben wir die Fläche mit Nutzerarbeitsplätzen, also das sind wirklich Tische, die wir hier zur Verfügung stellen, wo man sich hinsetzen kann, wo man arbeiten kann, wo man lernen kann, ob jetzt alleine oder in der Gruppe. Und ich meine, wir sind jetzt hier ja vor Öffnung unterwegs. Nachmittags sind diese Plätze unglaublich gut und begehrt belegt, weil es natürlich auch solche Flächen nicht mehr unbedingt gibt. Wo kann man sich hinsetzen, muss nichts konsumieren, muss nichts einkaufen und einfach einen Ort des Zusammenseins hier nutzen? Und du siehst es vielleicht auch schon links, wir haben eine sehr engagierte Schachgruppe hier, also hier steht ein Schachtisch. Die sind fast täglich bei uns sind und halten sich einfach gerne hier in den Räumlichkeiten auf.
Jonas Dahm:
Hier rechts kriege ich wahrscheinlich auch einen Kaffee?
Paula-Sophie Prüßner:
Genau. Wir bieten natürlich auch das an – sodass man sich hier wirklich die Atmosphäre zum Wohlfühlen schaffen kann. Wir haben einen Kaffeeautomaten, was natürlich beinhaltet, dass wir von Kakao über Kaffee und Teewasser alles anbieten. Hier ist die Lese-Lounge, wo Nutzerinnen und Nutzer zusammenkommen können, sich austauschen können. Natürlich auch das große Segment Zeitschriften, was du hier an der Seite siehst. Also von-bis haben wir wirklich ein sehr großes Segment an Zeitschriften,Fachzeitschriften, aber dann eben auch thematisch sortierte Zeitschriften wie zum Beispiel Art, Geo etc.
Jonas Dahm:
Hier sind auch so Sitzecken, schön in Leder, da kann ich mich hinsetzen, kann den ganzen Tag eine Zeitung lesen. Das ist nicht wie im Kiosk, dann muss ich kaufen oder gehen. Ich kann hier einfach sein.
Paula-Sophie Prüßner:
Also grundsätzlich ist es bei öffentlichen Bibliotheken so, dass die Nutzungsdauer, im Sinne von ‘wie viel Zeit verbringt der Mensch eigentlich in einer Bibliothek’ zunimmt. Wir sind ein Ort, der sehr frequentiert ist als Bildungs- und Kultureinrichtung. Die Aufenthaltsdauer nimmt stetig zu und dementsprechend müssen wir natürlich auch die Aufenthaltsqualität durch unterschiedliche Ansätze hier aufwerten. Und das ist ein Ansatz, mit der Leselounge eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen und auch zu zeigen: ja, wir sind ein Ort, wo sich jeder aufhalten kann.
Jonas Dahm:
Also es ist ein bisschen anders als früher, wo ich vielleicht noch… da bin ich in die Bibliothek gegangen, dann leihe ich mir ein Buch aus und dann gehe ich wieder, sondern heute bleibe ich eigentlich.
Paula-Sophie Prüßner:
Heute kommt man, um zu bleiben, um unterschiedliche Dinge zu entdecken für sich, vielleicht auch Kontakte zu knüpfen. Die Einsamkeit unter der Bevölkerung nimmt zu und für viele Menschen sind wir auch ein Ort, wo man hinkommen kann, in den Austausch gehen kann und mit dem Bibliothekspersonal, aber auch unter den Nutzenden, ein sozialer Zusammenhalt stattfindet.
Jonas Dahm:
Und gleichzeitig bietet ihr noch die klassischen Sachen an. Wir gehen nämlich gerade an der Philosophie vorbei. Da habe ich Aristoteles schon gesehen. Jetzt ist hier Gerd Strobl mit einem Buch vertreten.
Paula-Sophie Prüßner:
Adorno steht hier auch.
Jonas Dahm:
Wandern mit Nietzsche. Das klassische Bibliotheksverhalten, schon auch noch was aussuchen, also kommen und sich ein Buch ausleihen – das gibt es schon auch noch?
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, das ist letztlich der Grundbetrieb, der hier ist. Ich gehe in die Stadtbibliothek, weil ich ein Medium ausleihen möchte, weil ich vielleicht schauen möchte, was gibt es Neues. Der Buchmarkt ist ja auch am Boomen, das muss man ganz klar so sagen, von Spiegel-Bestseller über Sachbuchbestenlisten, Literaturpreise etc. Das ist ja wirklich etwas, was stetig in den letzten Jahren gewachsen ist und da ist natürlich eine Mitgliedschaft in der öffentlichen Bibliothek sehr attraktiv, weil wir kosten für Erwachsene im Jahr 24 Euro. Keines dieser Bücher ist für den Preis letztendlich zu bekommen und das ist natürlich auch ein Nachhaltigkeitsgedanke. Ich muss nicht alle Bücher zu Hause haben, ich muss nicht alle Medien zu Hause haben, sondern ich gehe in meine Stadtbibliothek, suche mir was aus und gucke vielleicht rechts und links, was interessiert mich darüber hinaus.
Jonas Dahm:
Wo wir gerade bei dem Punkt sind, wir haben ja vorher schon mal ein bisschen geschnackt und da hast du mir diese tolle Ding-Bibliothek gezeigt.
Paula-Sophie Prüßner:
Die Bibliothek der Dinge, genau.
Jonas Dahm:
Die Bibliothek der Dinge. Da kann ich auch ausleihen, was ich möchte, aber eben nicht nur Bücher. Da gehen wir jetzt mal hin. Das ist hier am anderen Ende vom Bücherflur. Was kriege ich denn da ausgeliehen?
Paula-Sophie Prüßner:
Ganz, ganz unterschiedliche Sachen. Das ist ganz nach dem Prinzip ‘Sharing is Caring’ angelegt und auch unter dem Nachhaltigkeitsaspekt. Es geht vor allen Dingen darum, dass nicht jeder und jede sich ganz, ganz viele Dinge zu Hause anschaffen muss. Nicht jeder braucht eine Nähmaschine, nicht jeder braucht einen Tolino-Reader, wenn er ihn erstmal ausprobieren möchte. Aber auch so etwas wie zum Beispiel Lernroboter, Ozobot etc. – das kann man in einer öffentlichen Bibliothek mittlerweile leihen. Es gibt bundesweit ganz, ganz viele Bibliotheken, die das anbieten, damit einfach nicht jeder alles zu Hause haben muss, sondern auch Dinge ausprobieren kann. Das ist tatsächlich in der Jahresmitgliedschaft drin, also das ist kein gesonderter Beitrag, den du hier ableiten müsstest. Wenn du zum Beispiel sagst, ich mache Freitagabend eine Karaokeparty bei mir zu Hause, dann kannst du zu uns kommen, dir die Karaokemaschine ausleihen und dementsprechend ganz viel Freude damit haben.
Jonas Dahm:
…und eine Loch- und Nietenzange kriege ich auch.
Paula-Sophie Prüßner:
Alles. Tonibox, Edurinostift und Co.
Jonas Dahm:
Direkt daneben steht die Saatgutbibliothek. So kleine grüne Holzeinschübe sehe ich hier.
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, seit Anfang des Jahres haben wir eine Saatgutbibliothek hier im Haus. Das ist natürlich auch unter dem Aspekt Nachhaltigkeit hier gewachsen. Es geht darum, Saatgut kostenfrei in die Stadtgesellschaft zu geben. Jeder kann sich hier bis zu drei Tütchen mitnehmen, das ist unterschiedliches Saatgut. Im Moment ist gar nicht so viel drin, weil das so gut genutzt wird und mitgenommen wird. Aber wir haben von Blumenkräutern, aber auch Gemüse, alles mit dabei.
Jonas Dahm:
Hier sind so kleine weiße Tütchen, hier ist zum Beispiel Rettich drin. Also ich würde jetzt noch bekommen Rettich und Kohlrabi. Den könnte ich mir jetzt einfach mitnehmen und zu Hause aussehen.
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, und es steht auch drauf, was du machen musst, um dann eben dementsprechend auch das entsprechend zu pflegen und zu hegen. Der Grundgedanke ist natürlich auch da der Nachhaltigkeitsaspekt, die Biodiversität voranzubringen. Jeder könnte sich jetzt hier drei Tütchen mitnehmen, aussäen, dann auch dementsprechend ernten, neues Saatgut gewinnen und wieder zurück in die Stadtbibliothek geben. Wir haben das Projekt ja jetzt erst gerade angefangen – ich muss sagen, es läuft richtig gut. Wir kriegen sehr, sehr viele Saatgutspenden auch von Menschen, die natürlich sich damit auskennen, weil sie das System so toll finden: Wir geben etwas raus, es kommt wieder was zurück und wir fördern den Kreislauf. Natürlich gibt es auch immer einen Rückbezug zu unseren Medien. Es gibt ganz viele Bücher, die wir hier passend dazu ausstellen. Die Idee ist natürlich, dass man sich erst mal selbst befähigen kann, dass man selber sich das anlesenkann. Aber wir haben hier auch ganz viele Nachhaltigkeitsveranstaltungen. Wir arbeiten zusammen mit dem Grünen Kreis. Das ist eine Initiative, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Biodiversität zu fördern. Da haben wir zum Beispiel jetzt im September auch eine Veranstaltung zu der Frage “Wie gewinne ich überhaupt Saatgut?”.
Jonas Dahm:
Wenn ich mir das hier mitnehme, dann steht hier auch direkt schon drauf: Im Juni-Juli sehe ich es aus und dann weiß ich auch schon, die Ernte ist im September bis Oktober und da kriege ich dann meinen Rettich. Dann lassen uns doch nochmal weitergehen, man kann hier nämlich mittlerweile nicht nur normal drucken, man kann jetzt auch 3D drucken.
Paula-Sophie Prüßner:
Genau. Der Freundeskreis der Stadtbibliothek, also unser Förderverein, hat uns einen 3D-Drucker angeschafft. Das ist im Moment noch so ein Projekt, was hinter den Kulissen läuft. Allerdings werden wir dann im Rahmen der Code Week im Oktober auch die ersten Zugänge dazu schaffen. Wir möchten das natürlich langfristig auch den Nutzern und Nutzerinnen der Stadtbibliothek anbieten.
Paula-Sophie Prüßner:
Ihr eine Bach-Büste in Blau - habt ihr die selber gedruckt?
Paula-Sophie Prüßner:
Die haben wir selber gedruckt mit dem 3D-Drucker. Unglaublich kreativ hat hier das Team das gemeinschaftlich entworfen und auch ausgedruckt. Das ist wirklich ein ganz tolles Projekt und da sieht man eben auch einfach, wie viel hier in diesem Haus stattfindet.
Jonas Dahm:
Da hat sich einiges geändert seit Bachs Zeiten.
Paula-Sophie Prüßner:
Unbedingt.
Jonas Dahm:
Also, in der Stadtbibliothek kann ich eigentlich alles machen. Und hier kommen wir, glaube ich, zu meiner Lieblingsecke. Hier stehen nämlich zwei Strandkörbe und im Hintergrund sehe ich Schiffe und den Hafen. Da liegt ihr natürlich großartig.
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, ganz toller Ausblick, wird auch unglaublich gut genutzt. Wir haben hier zwei Strandkörbe stehen, das ist unsere Strandkorbbühne. Hier finden natürlich ganz viele Veranstaltungen statt, von Kneipenquiz über Lesungen über die Eröffnung der Saatgutbibliothek. Also, das ist hier die Hauptbühne letztendlich, die wir bespielen.
Jonas Dahm:
Nimmst du mich noch mit ins Backstage?
Paula-Sophie Prüßner:
Yes.
Jonas Dahm:
Jetzt geht es wieder vorbei an der “Bibliothek der Dinge” und jetzt gibt es hier die Schiebetür zu den Eingeweiden der Bibliothek.
Paula-Sophie Prüßner:
…wo der Bibliotheksbetrieb eben auch stattfindet. Hier sind alle Mitarbeitenden der Bibliothek in der Medieneinarbeitung, Bereitstellung etc., aber auch Programmarbeit beschäftigt. Hier ist gerade die Teambesprechung im Frühstücksraum.
Jonas Dahm:
Da wollen wir nicht stören. Ich habe eben noch gesehen, hier gibt es ein Lastenfahrrad. Ist das das Transportmittel der Wahl?
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, wir haben tatsächlich ein Format, also das ist so ein bisschen aufsuchende Bibliotheksarbeit. Das nennt sich das ‘Geschichtenrad’. Da fährt eine ehrenamtliche Mitarbeiterin jeden Dienstag zum Holzerhafen und zeigt ein sogenanntes Kamishibai. Das ist auch Leseförderung, also das ist so ein kleines Asiatisches Theater, wo unterschiedliche Bildkarten gezeigt werden und mit den Kindern und Familien gemeinsam Leseförderung betrieben wird. Ganz tolles Format. Jutta Witthinrich betreut das Format und muss da eine große Community immer wieder mit unterschiedlichen Geschichten begeistern.
Jonas Dahm:
Hier im Backstage, da gibt es wahrscheinlich ein Bücherarchiv – wie kann man sich das vorstellen? Wie viel ist eigentlich hinten? Ist das wie bei einem Eisberg, man sieht nur die Spitze und das meiste ist unter der Oberfläche?
Paula-Sophie Prüßner:
Tatsächlich kriegen wir immer wieder gespiegelt, von Nutzerinnen und Nutzern, ‘wir wussten gar nicht, dass ihr so viele seid’. Natürlich, ganz viele Arbeiten finden hier im Backoffice statt, gerade von der Einarbeitung von Medien – also, wie kommt letztendlich das Buch hier an, wie wird es eingearbeitet, wie wird es dann zur Ausleihe bereitgestellt – aber auch Dinge wie Veranstaltungsarbeit. Das ist ja nicht in dem Sinne öffentlich sichtbar für die Nutzerinnen und Nutzer vorne, sondern passiert hier im Backstage-Bereich.
Jonas Dahm:
Kann man an dem, was die Leute ausleihen, so ein bisschen was über die Stadt erfahren?
Paula-Sophie Prüßner:
Das ist tatsächlich schwerer, weil das natürlich immer mit Datenschutzthemen zusammenhängt. Also ich könnte jetzt bei dir zum Beispiel ohne dein Einverständnis nicht deine Lesechronik mir anschauen. Aber da gibt es natürlich auch Tools in der Bibliothekslandschaft, zum Beispiel Customer Journeys. Ich beziehe die Nutzerinnen und Nutzer aktiv mit ein und mache mir auch erst mal ein Bild, wo sind die Bedarfe. Es steht auch an, dass die Bibliothek hier aus den aktuellen Räumlichkeiten ausziehen wird, an einen sehr zentraleren Ort hier in der Innenstadt. Vielleicht hast du es gesehen, als du hier hingekommen bist: Wenn du über die Zentralste Straße in Bremerhaven in der Innenstadt gehst, die Bürgermeister-Smidt-Straße, dann dort rechts der alte Karstadtbau – der soll abgerissen werden, da sind die Arbeiten gerade schon voll dabei. Es soll als sogenannter dritter Ort funktionieren. Dritter Ort, der Begriff stammt von Ray Oldenburg, einem amerikanischen Soziologen. Letztendlich ist es das, dass im Leben eines Menschen der drittwichtigste Ort möglichst die Bibliothek ist. Erster Ort ist das Zuhause, zweiter Ort ist Schule, Arbeit, Ausbildung und dann der dritte Ort eben die öffentliche Bibliothek mit Aufenthaltsqualität als niedrigschwelliger Ort des Zusammenkommens, der sozialen Interaktion, aber auch als ein Ort des Entdeckens. Viele skandinavische Bibliotheken haben vorgemacht, wie es funktionieren kann und haben da auch wirklich sehr, sehr gute Projekte ausgearbeitet. Oodi in Helsinki, da gibt es sehr, sehr große Vorbilder, an denen wir uns natürlich bei dem ganzen Projekt auch orientiert haben und auch weiterhin orientieren. Wir haben eine Machbarkeitsstudie erstellt, also wie können wir diesen zentralen Ort gestalten, weil den wollen wir nicht alleine gestalten als Stadtbibliothek, sondern dazu wird dieJugendherberge kommen, das Deutsche Jugendherbergswerk mit ihrem Standort hier in Bremerhaven. Es geht darum, auch Übernachtung, Programmarbeit etc. an diesem Ort zu bieten für die Stadtgesellschaft, aber auch für Gäste der Stadt.
Jonas Dahm:
Das heißt, ich kann nicht nur den Tag in der Bibliothek verbringen, sondern dann kann ich auch direkt schon zum Schlafen einziehen.
Paula-Sophie Prüßner:
Das ist der große Vorteil durch diese partnerschaftliche Zusammenarbeit, dass wir wirklich dann erweiterte Öffnungszeiten haben. Wir streben natürlich auch eine 24-7-Zugänglichkeit an. Da gibt es schon gute Erfahrungswerte anderer öffentlichen Bibliotheken, dass der Raum rund um die Uhr zugänglich ist.
Jonas Dahm:
Du machst das jetzt ja seit Anfang des Jahres. Wie bist du denn unter die Bücher gekommen?
Paula-Sophie Prüßner:
Ich habe damals angefangen, Kulturwissenschaft zu studieren, Kulturmanagement zu betreiben und Kultur in seiner Ganzheit zu erfassen. Und ich finde, es passiert so viel in öffentlichen Bibliotheken, was einfach zeigt, dass da ein gesellschaftlicher Mehrwert dahinter steht. Und das ist mir ganz wichtig, die Sinnhaftigkeit, die ich mit meiner Arbeit verfolge. Da ist Bibliothek das spannendste Feld, was ich mir vorstellen kann für meine Zukunft. Gerade auch der neue Bibliotheksbau, wir reden davon, wirklich architektonische Points zu setzen, Leuchtturmprojekte zu entwickeln. Das ist natürlich dann nochmal eine Strahlkraft darüber hinaus, die man sich nicht schöner wünschen könnte.
Jonas Dahm:
Eine Sache, die ihr auch erarbeitet, ist der Literarische Herbst. Darüber würde ich super gerne auch noch mit dir reden. Wir haben hier ein Programm liegen, vielen Dank. Da habt ihr ein total hochkarätiges Programm. Thea Mengeler ist dabei, Kristine Bilkau ist dabei, Jakob Schwertfeger – da geht es auch um Kunst – und Ursula Krechel macht die Eröffnung. Am Donnerstag geht es los, den 25.09.2025 um 19 Uhr. Wie kriegt ihr diese Leute hier alle her? Habt ihr einen thematischen Schwerpunkt?
Paula-Sophie Prüßner:
Wir versuchen eigentlich, so viele Menschen wie möglich mit dem Programm anzusprechen. Also nicht jeder hat unbedingt einen Bezug zu den Themen, also zu allen Themen, aber man sagt dann zum Beispiel: Okay, Thea Mengele, das ist ja ein großer Name nach den Fähren, das Buch unglaublich gut angenommen, das möchte ich mir anschauen. Wir versuchen das Programm breitenwirksam aufzustellen, dass einfach für jeden Geschmack auch was dabei ist. Wir sind sehr stolz, dass zum Beispiel Pierre Jarawan mit der Frau im Mond, seinem neuesten Roman, mit dabei ist, der ja sehr gut in den Kritiken angenommen wurde, aber genauso, dass so ein interaktives Format wie ‘Ich sehe, was du nicht siehst und das ist Kunst’ von Jakob Schwertfeger mit dabei haben. Das ist natürlich auch nochmal ein ganz anderer Zugang, den wir dazu schaffen, zu Literatur, zu den Gegenwartsthemen, aber auch zu Themen unserer Zeit und da natürlich Ursula Krechel, Kristine Bilkau mit dabei zu haben, das sind einfach Top-Acts, die wir hier im Haus natürlich unglaublich gerne willkommen heißen.
Jonas Dahm:
Bremerhaven ist ja eine wunderschöne Stadt, aber es ist auch eine Stadt mit sozialen Schwierigkeiten. Wie geht ihr damit um? Habt ihr, wenn ihr so ein Festival macht,auch einen politischen Schwerpunkt? Versucht ihr in der Stadt, mit der Stadt und in der Stadtgesellschaft zu wirken, auch als literarisches Haus?
Paula-Sophie Prüßner:
Absolut. Das sind ja wirklich sehr, sehr wichtige Themen, die immer wichtiger werden in der Bibliotheksarbeit. Viele öffentliche Bibliotheken setzen sich auch eben den Schwerpunkt Demokratieförderung, Demokratiebildung und da schließen wir uns natürlich mit dem Haus an. Das ist ganz wichtig, dass wir neben den Themen unserer Zeit auch dieses Grundthema, was uns immer wieder begleitet, nach außen repräsentieren und auch ganz klar dafür sorgen, dass wir hier Demokratiebildung betreiben können.
Jonas Dahm:
Ihr liegt ja hier am Meer. Wie spielt denn diese Lage mit rein, wie ihr das Ganze veranstaltet, was der Literarische Herbst für Bremerhaven bietet?
Paula-Sophie Prüßner:
Auf unsere exponierte Lage hier im maritimen Bereich versuchen wir auch immer den Rückbezug zu ziehen. Gerade zwei Autorinnen, also Kristine Bilkau und Thea Mengeler, haben ja auch gerade diesen norddeutschen Aspekt mit drin. Letztendlich wollen wir auch die gesellschaftlich relevanten Themen, Klimafolgeanpassung etc. immer mitdenken und als gesellschaftsrelevante Themen mit in die Programmarbeit reinnehmen. Deswegen haben wir auch den großen Aspekt Nachhaltigkeit, den wir jetzt mit Formaten wie der Saatgutbibliothek angehen, aber auch immer in die Diskussion um Literatur mit hineinnehmen.
Jonas Dahm:
Und wenn das Meer zu weit steigt, dann geht ihr hier unter.
Paula-Sophie Prüßner:
Ja, wir sind tatsächlich sehr nah am Meer, aber wir haben sehr guten Küstenschutz und deswegen beunruhigt uns das weniger. Aber letztendlich, das ist ein globales Thema, was uns beschäftigen wird. Dementsprechend ist das natürlich unglaublich wichtig, dass wir das hier auf die Küstenregion auch immer mitbedenken.
Jonas Dahm:
Paula-Sophie Prüßner, vielen, vielen Dank für diese tolle Führung. Ich wünsche euch ganz viel Publikum und gutes Gelingen und einen guten Umzug in die Neustadtbibliothek fürs Jahr 2029, da geht's los. Vielen, vielen Dank.
Paula-Sophie Prüßner:
Danke an dich. Hat sehr viel Spaß gemacht.
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Der Text wurde KI-gestützt transkribiert.