Geschichten mit Bildern erzählen – das kann der Illustrator und Autor Torben Kuhlmann. In seinen detailreichen Bilderbüchern erleben mutige Mäuse große Abenteuer, angelehnt an die Geschichten historischer Figuren wie zum Beispiel Neil Armstrong oder Albert Einstein. Mit Anna Maria Stock, die ihn in seinem Hamburger Atelier besucht, spricht Torben Kuhlmann über seine Leidenschaft für Technik, über seine Technik des Malens und wieso Aquarellfarben manchmal Geduld erfordern. Und natürlich verrät er auch, was er an Mäusen so faszinierend findet.
Zum Nachlesen
Anna:
Diesmal mit Anna-Maria Stock. Hallo und willkommen zur neuen Folge. Heute nehme ich euch mit in ein Atelier. Und zwar in das Atelier von Torben Kuhlmann. Moin, Torben!
Torben:
Moin, herzlich willkommen!
Anna:
Danke, danke. Torben, du bist Kinderbuchautor und Illustrator in Hamburg. Und wir sitzen hier in deinem Atelier unterm Dach. Und man sieht hier zwei Schreibtische. Einer, auf dem stehen Stifte und Pinsel und ein Farbkasten und ein anderer, auf dem stehen Computer. Und wir wollen jetzt heute nämlich darüber sprechen, wie deine Bücher entstehen. Du bist nämlich der Autor von – man kann das wohl so sagen – ziemlich berühmten Bilderbüchern. Bilderbüchern über abenteuerlustige Mäuse mit Pioniergeist. Das erste Buch der Reihe hieß „Lindbergh. Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus“ und erzählt von der ersten Maus, die mit einem Flugzeug über den Atlantik flog. Das zweite Buch dann, „Armstrong“, erzählt von der ersten Maus auf dem Mond. In „Edison“ taucht eine Maus ab in die Unterwasserwelt, um einen alten Schatz zu finden. In „Einstein“ reist eine Maus durch die Zeit und „Earhart“, der neueste Band aus der Mäusereihe, der ist letztes Jahr erschienen, der handelt von einer kleinen Wühlmaus, die allein um die Welt fliegt. Und jetzt wollen wir mal darüber sprechen, wie das eigentlich alles so entsteht hier in deinem Hamburger Atelier. Wie viel Zeit verbringst du hier?
Torben:
Tatsächlich die meiste Zeit des Tages und auch die meiste Zeit der Woche. Also tatsächlich zieht es mich immer mit großer Beständigkeit hierher. Gerade wenn ich an einem aktuellen Projekt arbeite, dann habe ich so dieses Kribbeln in den Fingern, dass ich fast täglich irgendwie was zu Papier bringen muss, um auch quasi meine innere Ruhe zu bewahren.
Anna:
Das heißt so ein Wochenende, dass du mal zwei Tage frei machst, ist in solchen Phasen dann eher nicht so?
Torben:
Doch, das gibt es auch, aber ich muss dann wirklich Abstand haben. Also dann brauche ich Tagesausflüge, ich muss dann mal ans Meer, vielleicht, um den Kopf freizukriegen. Aber ich kann ganz schlecht einfach nur einen gemütlichen Tag zu Hause in der Wohnung verbringen, weil dann fahre ich dann doch irgendwann mit dem Fahrrad hierher und mache irgendwas.
Anna:
Der November, der steht im Literaturhaus Bremen thematisch unter dem Motto „Weltraum“. Und da dachten wir, dass deine Bücher da eigentlich ganz gut reinpassen könnten, eben weil du ja sogar mit „Armstrong“ ein Buch geschrieben hast, das dezidiert die Mondfahrt beschreibt. Aber auch, weil auch die anderen Mäuse in den anderen Bänden ja oft irgendwie hoch hinaus wollen. Nun drehen sich ja diese Bücher um Lindbergh, Armstrong, Edison, Einstein, Earhart – die allesamt historische Figuren sind. Was hat dich denn an diesen Figuren so fasziniert, dass du ihnen jeweils ein Buch gewidmet hast?
Torben:
Also ganz zu Anfang war es auch mehr oder weniger Zufall, dass ich über dieses Konzept gestolpert bin. Als ich am ersten Buch, an „Lindbergh“, gearbeitet habe, ergab sich das so im Laufe des Entstehungsprozesses. Ich habe eigentlich das Ganze unter einem anderen Arbeitstitel angefangen, das hieß da noch „Der Zirkus der fliegenden Maus“ und es ging eben um eine Hamburger Maus, die das Fliegen lernt. Aber je mehr ich mich mit der Geschichte befasst habe, je komplexer sie wurde, desto mehr wurde es dann eine Abenteuergeschichte, die auch ein bisschen ums Auswandern ging. Und die letzte Pointe war dann eben, dass eine Maus über den Atlantik fliegt und dort dann in den USA angekommen wiederum einen jungen Menschen inspiriert, auch über den Atlantik zu fliegen. So kam dann die Idee: Vielleicht kann ich diese fiktionale Maus-Geschichte irgendwie noch am Schluss mit realen Fakten verschmelzen, so eine kleine augenzwinkernde Anekdote da mit drin haben. Und so kam dann die Idee – im letzten Moment mehr oder weniger – das Ganze „Lindbergh“ zu nennen und so eine Vorgeschichte zu Lindbergh zu erzählen. Und dann war ich so ein klein bisschen eben in diesem Modus drin und auch ein klein bisschen da drin gefangen, weil natürlich jetzt klar war, dass innerhalb dieser Mäuseserie die Mäuse immer irgendwie in der menschlichen Geschichte auch unterwegs sind und die großen Pioniertaten, die es gibt, vielleicht dann auf ihre kleine Mäuse-Art inspirieren. Und so kam dann tatsächlich ziemlich bald die Idee, eine Folgegeschichte zu machen, nach der Luftfahrt logischerweise mit der Raumfahrt fortzusetzen. Und da war dann eben die Überlegung: Wie kann ich denn dieses Mäuseabenteuer irgendwie mit der realen Raumfahrtgeschichte kombinieren? Und da startete das Buch tatsächlich auch erst mit einem anderen Arbeitstitel. Ganz am Anfang hieß es noch „Apollo“. Ich war mir aber nicht sicher, wie ich das miteinander verknüpfe. Aber ganz am Ende kam dann wieder die Idee der Pointe, dass ich den realen Neil Armstrong erwähne und da quasi so eine Cover-Up-Geschichte existiert, dass man diese Maus auch „Armstrong“ nennt, um bewusst mit dieser Verwechslung spielen zu können. Damit man sagt: Der erste Besucher, die erste Besucherin auf dem Mond, das war Armstrong. Und nur wenige wissen, dass es eine Maus war und die meisten anderen wussten natürlich, dass es ein Mensch war. Und diesem Prozess bin ich dann einfach gefolgt. Und natürlich habe ich so ein klein bisschen eine Voreingenommenheit zu den Leuten der Geschichte, für die ich mich auch in der eigenen Kindheit schon interessiert habe, von den großen Erfinderinnen und Erfindern wie Thomas Edison zum Beispiel. Den wollte ich natürlich auch gerne vielleicht mal irgendwie mit einbasteln. Albert Einstein, auch faszinierend, die Revolution der Physik mit der Relativitätstheorie. Auch da war ich glücklich, als ich dann irgendwie so einen kleinen Weg gefunden habe, über Umwege Albert Einstein mit einem Mäuseabenteuer zusammenzubringen. Ja, und das ist so das Prinzip hinter der Reihe und warum diese Figuren verknüpft sind mit Mäuseabenteuern.
Anna:
Was fasziniert dich denn so an Mäusen? Also ich habe mal ganz bewusst darauf geachtet in deinen Büchern und habe gemerkt, dass eigentlich auf jeder Seite sicher irgendwo eine Maus auftaucht und eigentlich in fast jedem Bild, kann man sagen. Also du musst schon unfassbar viele Mäuse in deinem Leben gezeichnet und gemalt haben. Was fasziniert dich an Mäusen?
Torben:
Ganz am Anfang war es auch eine mehr oder weniger fast notwendige Entscheidung, eine Maus zu benutzen, weil bevor „Lindbergh“ eben diese große Abenteuergeschichte war, war es eine kleine Idee. Und diese Idee war geradezu banal. Nämlich: Eine Maus entdeckt eine Fledermaus und möchte gerne auch Fledermaus sein und hat dann nur eine Möglichkeit, sich nämlich einen Flugapparat zu basteln, zu konstruieren, erfinderisch tätig zu werden. Und damit war quasi festgesetzt, dass zumindest dieses erste Buch nur mit einer Maus funktionieren konnte, weil dieses Wortspiel und diese Inspiration anders nicht funktioniert hätten. Aber dabei habe ich dann natürlich meine Freude an Mäusen auch mehr oder weniger kultiviert. Und sie haben auch andere Vorteile für gerade diese Art von Abenteuergeschichte, weil wenn man sich eine Maus genauer anguckt mit ihren kleinen Nagetierhänden, man kann sich vorstellen, dass sie damit nicht nur kleine Nüsse transportieren oder Ähnliches machen, sondern vielleicht kann man mit diesen fast menschenähnlichen Händen auch sich vorstellen, dass kleine Werkzeuge bedient werden. Passt natürlich dann auch gut für meine Geschichten, in denen natürlich Erfindungen gebastelt werden aus in der Menschenwelt zusammengeklauten Dingen. Und ganz final: Wenn man sich so eine Maus anguckt, wenn man sie zufällig mal in der Wohnung erwischt, mit ihren doch ziemlich clever wirkenden, blitzenden, schwarzen Augen und ihrer sehr geistigen Gegenwart… Also sie reagieren ja auf kleine Geräusche, sie sind sehr aufgeweckt. Auch das passt tatsächlich zu diesem Abenteuergedanken dieser Geschichten. Und ja, dann habe ich mich quasi in die Mäuse verliebt und seitdem erzähle ich auch mit großer Leidenschaft Geschichten und mit hunderten Mäusen teilweise auf verschiedenen Seiten.
Anna:
Jetzt hast du gerade schon gesagt, dass du eben schon als Kind das total spannend fandest, was Einstein gemacht hat oder was Lindbergh gemacht hat oder so. Das heißt, du interessierst dich anscheinend auch sehr für Technik. Bist du denn selber auch so ein Bastler?
Torben:
Ich war es tatsächlich. So ein klein bisschen haben meine Bücher auch allesamt autobiografische Züge. Also ich habe schon mehrfach darüber geradezu ein bisschen humorvoll gewitzelt, dass ich eigentlich nur kleine Anekdoten aus meiner Kindheit nehme und die dann verschachtelt in irgendwelche Buchgeschichten packe. Ich war tatsächlich früher auch gern mit dem Fahrrad unterwegs, habe Sachen zusammengesammelt, habe mir irgendwie überlegt, was ich denn erfinden könnte und habe das dann entweder im Garten oder im Keller versucht zusammenzubasteln. Also ich hatte immer so ein großes technisches Interesse. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass ich mal versucht habe, nachdem ich gehört habe, dass es sowas gibt, so einen mechanischen Fernsehapparat zu basteln. Es gibt wohl eine Möglichkeit, hochkompliziert mit einer schnell drehenden Scheibe, mit genau präzise gebohrten Löchern und einer entsprechenden Lichtfrequenz wirklich Bilder aufzuzeichnen und wiederzugeben. Also es ist ein riesiges Thema, wenn man sich da mal reinlesen sollte. Das hatte ich natürlich früher als Kind nicht gemacht. Ich habe nur gedacht, man kann einen Fernseher basteln und habe dann einfach einen Pappkarton und eine Lampe und ein drehendes Teil, irgendwas zusammengebastelt. Aber es war für mich eben ein selbstgebautes TV-Gerät. Und mit diesem Erfindergeist, glaube ich, habe ich auch meine ganzen Bücher ausgestattet.
Anna:
Das spürt man total, dass da ganz viel Leidenschaft da ist, auch für diese Bastelei und dieses Man-probiert-aus und dann geht irgendwas schief und dann gibt man aber deshalb nicht auf, sondern es geht dann weiter. Und diese Mäuse sind ja wirklich auf so eine positive Art und Weise wahnsinnig hartnäckig dabei, ihre Dinge zu verfolgen und am Ende gelingt es. Die fliegen über den Atlantik und sie fliegen um die Welt und sie fliegen zum Mond und so weiter. Du musst aber ja wahrscheinlich, auch wenn du selber auch schon viel weißt darüber, trotzdem auch immer viel recherchieren, schätze ich mal, oder? Um dann diese Geschichten zu schreiben, auch, weil ich mir vorstellen kann, dass es ja viel auch darum geht, diese Zeiten… Weil du bist ja immer in der Geschichte unterwegs. Das ist ja 100 Jahre her oder so. Das heißt, du musst wahrscheinlich ganz viel recherchieren: Wie sah das denn damals aus? Also wenn ich das malen will, dann muss ich ja gucken, wie sah denn damals so die Kleidung aus zum Beispiel, oder? Also recherchierst du sehr viel für diese Bücher?
Torben:
Ja, also spätestens, wenn es dann darum geht, die Bilder auch aufs Papier zu bekommen, muss natürlich auch viel Bildrecherche erfolgen. Ich habe tatsächlich, was die historischen Figuren angeht, meistens schon ein relativ gutes Hintergrundwissen. Dadurch komme ich dann überhaupt erst auf die Idee, diese Figur vielleicht mit einem Mäuseabenteuer zusammenzubringen. Aber natürlich muss ich dann im Detail nochmal ganz genau nachlesen, in welchem Jahr passierte was und wie kann ich eventuell da ein Mäuseabenteuer mit verknüpfen. Gerade bei „Einstein“ war das die große Herausforderung, weil ich da natürlich mit einer Zeitreise arbeite. Zeiten spielen da eine wichtige Rolle. Das heißt, ich musste auch genau wissen, wo Einstein wann was veröffentlicht hat. Und die große Inspiration dahinter war dann eben sein Wunderjahr, in dem er vier die Physik verändernde Veröffentlichungen hatte. Und das wollte ich tatsächlich irgendwie mit dem Mäuseabenteuer verbinden. Ich hatte dann dieses eine Jahr. Aber das hieß natürlich auch, dass ich mich dann auf visueller Ebene natürlich sehr mit der Welt beschäftigen musste. Zum einen wollte ich natürlich die Schweiz, die Stadt Bern porträtieren, im Hier und Jetzt der Geschichte, das spielt irgendwann in den mittleren 80er Jahren. Aber natürlich musste es sich auch gut genug unterscheiden von der Welt 80 Jahre früher, so 1905 in der Schweiz. Also ich musste dann viele alte Fotos raussuchen, gucken, wie sah ein Straßenzug aus, was gab es, was gab es nicht. Und ich hoffe, ich habe das einigermaßen gut hingekriegt, weil tatsächlich auch Kinder sehr aufmerksam sind, teilweise aufmerksamer als Erwachsene beim Betrachten der Bilder. Also wenn dann irgendeine Kleinigkeit nicht stimmt, bin ich immer ziemlich sicher, dass Kinder das als erstes entdecken.
Anna:
Wie ist das denn: Entstehen erst die Bilder oder erst die Texte? Oder ist das so ein Es-geht-irgendwie-Hand-in-Hand?
Torben:
Das geht ziemlich Hand in Hand. Weil am Anfang steht weder das Bild noch der Text, sondern eben das Gerüst der Geschichte. Aufbauend auf dieser anfänglichen kleinen Idee. Jedes Buch beginnt mit einem kleinen Initiationsmoment, aus dem sich dann langsam der Handlungsfaden entfaltet. Mit dem im Hinterkopf kann ich dann anfangen zu überlegen, welcher Teil dieser Geschichte besser auf Bildebene erzählt wird. Also welches Bild würde sich anbieten oder welche Inhalte kann ich auch vielleicht nur im Bild erzählen? Wenn jetzt irgendwie ein spannender Moment kommt oder irgendwie eine Katze hinter einer Uhr hervorspringt, um bei dem „Einstein“-Buch zu bleiben, da brauche ich gar nicht viel Text. Da weiß ich schon ziemlich früh, das wird ein Bild. Da kann ich mir überlegen, wie dieses Bild gestaltet werden könnte. Und ich fange an mit kleinen Skizzen und mache natürlich auch Textentwürfe – und alles handschriftlich. Und nach und nach verzahnt sich das so ein bisschen und es entsteht ein Storyboard, das dann die Grundlage ist, um zum Beispiel mit meinem Verlag und meiner Lektorin dann schon mal zu sprechen und zu sagen, das ist die Geschichte, die ich mir vorgestellt habe. Die Bilder möchte ich gerne drin haben und diese Handlungsdetails kommen vor. Und wenn dann das grüne Licht vom Verlag kommt, was bisher eigentlich immer der Fall war, kann ich dann diese Sachen konkretisieren. Also ich kann dann die ersten Skizzen in echte Bilder umwandeln, die Texte mehr oder weniger dann Schritt für Schritt in getippte Texte umwandeln, also dann auch ausformulieren. Und so wächst dann nach und nach das Buch eng verzahnt zusammen.
Anna:
Also das heißt, wirklich von Anfang an, wenn die Ideen kommen, dann machst du sowohl Skizzen als Zeichner, als Illustrator, als aber eben auch als Autor und schreibst schon kleine Textfragmente oder so was wie ein Exzerpt auf?
Torben:
Ja genau, also das ist tatsächlich gar nicht so unterschiedlich. Auch so eine frühe Skizze für ein Bild ist manchmal sehr rudimentär, also wenige Striche. Nur das Wichtigste, was quasi dieses Bild sagen soll, ist zu erkennen, grob mit Bleistift umrissen, vielleicht ein paar Aquarellfarben mit drin, um vielleicht auch eine Lichtstimmung oder eine Atmosphäre anzudeuten. Auf der Textebene arbeite ich da ähnlich, da weiß ich, ich habe hier ein kurzes Kapitel, das die und die Aufgabe erfüllen soll und diese kann ich mir fast stichpunktartig notieren, vielleicht auch schon mal einen Satz, der mir im Kopf umherschwebt, aufschreiben. Und dann habe ich da auf der visuellen Ebene so einen Leitfaden für das fertige Bild und auf der Textebene auch so einen Leitfaden mit Inhalt, den ich in ein Kapitel reinbasteln möchte. Und das ist dann die Grundlage für detailliertere Skizzen, bevor ich dann mit dem eigentlichen Bild anfange und eben einer ersten handschriftlichen Niederschrift des Kapitels. Und wenn das dann einigermaßen zusammenpasst, fange ich an abzutippen und dann auch wirklich das finale Bild auf dem Papier umzusetzen.
Anna:
Deine Bilder sind wahnsinnig stimmungsvoll. Also ich habe irgendwie immer wieder das Gefühl gehabt, ich will da einfach nur reinschlüpfen, weil das so eine schöne Atmosphäre ist. Ist das was, was eine bewusste Entscheidung ist, zu sagen, ich möchte da so eine warme Atmosphäre haben? Ist das auch eine Entscheidung, die du dann bewusst triffst, wenn du deine Farben auswählst und so weiter? Oder ist es halt einfach die Art und Weise, wie du Bilder malst und das passiert irgendwie von selbst?
Torben:
Ich glaube, insbesondere bei den Mäusebüchern ist es ein klein bisschen mein Anreiz, eben so eine leichte Abenteueratmosphäre zu schaffen. Und das schaffe ich ein bisschen, indem ich dem Ganzen eine leicht filmische Komponente gebe. Also ich arbeite sehr viel mit Licht und Schatten, mit Licht und Lichtstimmungen und Atmosphäre, um eben so eine leicht mystische Atmosphäre zu schaffen. Also wenn jetzt irgendwie ein Schrottplatz erkundet wird, wie im neuesten Buch, da lege ich schon sehr viel Wert darauf, dass auch die Farbgebung und die Komposition das Ganze ein bisschen unterstreicht. Fast so, als würde ich das Ganze für die Kinoleinwand inszenieren. Ich versuche, das auf Bildebene so atmosphärisch und stimmig wie möglich hinzubekommen. Und auf der anderen Seite hilft mir da mein nerdiges Wesen, weil ich auch großes Interesse habe, jeden Aspekt dieses Bildes mit Details vollzupacken. Also mir geht es da nicht nur darum, grob einen Hintergrund zu haben und im Vordergrund passiert etwas, sondern ich habe dann wirklich auch Interesse, in der hintersten Ecke eine Autowerkstatt zu haben. Und dann überlege ich mir: Wie könnte denn diese Werkstatt heißen? Und das ist meistens irgendwie auch ein Insider-Gag oder ein Easter Egg, was ich da mit reinbaue. Also es macht mir dann Spaß, in unendlich kleinteiliger Arbeit mit einem sehr feinen Zeichenstift viele kleine Sachen in diesem Bild anzulegen und die dann am Ende mehr oder weniger mit Aquarellfarben zu kolorieren.
Anna:
Das merkt man auch total, dass da so ein Detailreichtum ist. Und man kann sich auch richtig darin verlieren. Man kann so eine Doppelseite aufschlagen und dann erstmal – fast wie auf einem Wimmelbild – ganz viele Sachen entdecken und auf Entdeckungstour gehen. Wie lange sitzt du denn dann zum Beispiel an so einer Werkstatt? Das muss ja wahnsinnig lange dauern, oder?
Torben:
Ich bin manchmal überrascht, dass es schneller geht, als ich manchmal selber glaube. Natürlich gibt es sehr aufwendige Bilder, wie wenn jetzt so eine üppige Szene zu sehen ist. Ich neige dazu, auch mindestens fünf oder zehn üppige Szenen in diesen Büchern drin zu haben, wo man dann vielleicht mal eine Großstadt wie New York von oben sieht oder Ähnliches. Das sind keine Sachen, wo man schnelle Auswege nehmen kann oder wie man irgendwie den Arbeitsaufwand reduziert. Da muss man dann wirklich von unten bis oben alles mit sehr kleinteiligen Details füllen. Aber tatsächlich ist das eben etwas, was mir auch wirklich Spaß macht.
Anna:
Und was ist so ganz, ganz grob… Also wie lange brauchst du? Wie viele Arbeitstage sind das? Wie viele Stunden? Kannst du das ganz grob sagen? Jetzt zum Beispiel bei dem Werkstattbild?
Torben:
Ich muss es ja ganz grob sagen, weil ab dem Zeitpunkt, wo ich das Storyboard dem Verlag zeige, kommt natürlich dann auch auf den Tisch, bis wann denn das fertige Buch fertig sein könnte. Und dann muss ich anfangen zu rechnen und im Idealfall eine sehr realistische Einschätzung geben, wann ich denn das letzte Bild fertig haben werde. Und daraus hat sich ergeben, dass ich ungefähr anderthalb Seiten im Buch pro Woche schaffen muss. Und das heißt dann meistens, dass ich eine große Doppelseite schaffe, also ein aufwendiges Bild. Da sitze ich dann vielleicht vier, fünf Tage mindestens intensiv dran und dann habe ich noch eine zusätzliche Seite. Das kann dann manchmal eine kleine Vignette sein oder eine einseitige Illustration oder ein bisschen weniger aufwendiges Motiv – sodass ich Pi mal Daumen pro Woche eben auf diese drei Seiten komme. Und hochgerechnet über die Wochen und Monate weiß ich dann, dass ich diese 128 Seiten gefüllt bekomme.
Anna:
Dann lass uns vielleicht nochmal detaillierter sprechen darüber, wie du überhaupt malst. Also wie entstehen denn diese Skizzen? Hast du erstmal eine Bleistiftskizze und dann wird das mit Aquarellfarben gefüllt? Erzähl mal: Wie entsteht so ein Bild?
Torben:
Also ganz am Anfang benutze ich mein Skizzenbuch, da sammle ich dann die ersten Ideen. Und das ist dann meistens entweder ein Fineliner, ein sehr feiner Zeichenstift, ein Bleistift, manchmal auch ein schwarzer Buntstift oder manchmal auch ein Kugelschreiber. Also wenn eine Idee gerade aufs Papier will, nehme ich auch das, was da ist. Ich habe auch tatsächlich schon mal – auch weil es dem Klischee entspricht – auf eine Serviette eine kleine Notiz gemacht, weil ich einfach eine Idee hatte, die irgendwie gerade irgendwo niedergeschrieben werden musste. Und der nächste Schritt ist dann die Umsetzung als finale Illustration. Da nehme ich ein großes satiniertes Aquarellpapier. „Satiniert“ heißt, dass es eben nicht diese typische Aquarelloberfläche hat, dieses Raue, sondern sehr glatt ist. Das bereite ich dann vor, klebe es auf ein Zeichenbrett. Dann kommt die Vorzeichnung. Also ich muss mich natürlich erst mal auf diesem unheimlichen, leeren Papier orientieren. Das ist tatsächlich auch immer der schwierigste Moment.
Anna:
Kann ich mir vorstellen.
Torben:
Diese ersten Striche, wenn man so eine große, ambitionierte Idee hat, mit einer üppigen Szene, wo unglaublich viel passieren soll, dann den ersten Strich zu machen, das ist manchmal eine wirkliche Hürde. Ich habe das mittlerweile einigermaßen gut im Griff, weil ich mich selbst eben mit Skizzen ganz gut darauf konditioniere, was ich denn eigentlich will. Und dann kann ich auch ziemlich souverän die ersten Striche setzen. Das ist noch sehr grob mit Bleistift, wird aber im Laufe des Zeichenprozesses immer detaillierter. Dann wechsle ich irgendwann den Stift, wenn die Konstruktion an sich schon funktioniert. Den Fineliner, den ich jetzt benutze, den könnte ich nicht mehr korrigieren, der ist nämlich dann wasserfest. Und damit schraffiere ich zum Beispiel dunkle Stellen, mache kleine Outlines um Figuren, die ich vielleicht ein bisschen betonen möchte, und habe dann irgendwann eine sehr detaillierte Schwarz-Weiß-Zeichnung, die dann im letzten Schritt mit mehreren Schichten Aquarellfarbe koloriert wird. Also da beginne ich dann beim Hintergrund und größere, flächigere Farben werden zunächst aufgetragen. Und ich arbeite mich dann vom Hintergrund immer weiter schrittweise in den Vordergrund. Und dann habe ich meistens als letztes noch so eine nicht ausgemalte Maus, vielleicht im Vordergrund. Das ist dann das Letzte, was koloriert wird. Und dann ist das Bild fertig – nach, wie ich schon meinte, vier, fünf, vielleicht sechs Tagen.
Anna:
Und gibt es dann noch in irgendeiner Form eine digitale Nachbereitung oder geht das so analog an den Verlag?
Torben:
Ich versuche, das so gering wie möglich zu halten mit der digitalen Nachbearbeitung. Also wenn die Bilder fertig sind, wandern sie quasi einmal von dem einen Tisch in meinem Atelier zum nächsten. Da steht dann mein Scanner und mein Rechner. Da kommt dann die Digitalisierung. Und im Idealfall kann ich die Bilder einfach scannen und vielleicht nochmal leicht an den Kontrasten was verändern. Ich muss auch immer so ein bisschen im Hinterkopf behalten, dass für den Buchdruck die Farbstimmigkeit natürlich immer ein bisschen anders ist als im Original. Aquarelle sind farblich im Original manchmal gar nicht so intensiv. Das muss man immer so ein bisschen im Hinterkopf behalten. Also sie wirken manchmal unter den falschen Lichtbedingungen recht blass, unter den richtigen Lichtbedingungen dann natürlich umso leuchtender. Das muss man so ein bisschen für den Offset-Druck dann nachsimulieren. Man muss die Regler vielleicht ein kleines bisschen höher ziehen. Und ganz selten kommt es dann auch vielleicht mal vor, dass ich noch eine kleine Korrektur vornehme, aber ich versuche so gut wie keine Retuschen zu machen. Also das ist für mich dann immer so ein kleines Manko, wenn ich weiß, ich habe da irgendwas im Bild verbockt, das muss ich digital korrigieren. Ja, versuche ich zu vermeiden.
Anna:
Aber das ist ja auch Wahnsinn, dass du dann ja wirklich weißt, du hast da dein Bild liegen und du darfst wirklich eigentlich keine Fehler machen, zumindest keine gravierenden, weil dann musst du nochmal von vorne anfangen.
Torben:
Ich mache tatsächlich viele Fehler, aber das Schöne ist, dass Fehler auch ein Bild bereichern können. Also solange es nicht komplett in die falsche Richtung geht oder man sich wirklich völlig verzeichnet hat, kann man die meisten Fehler ganz souverän auf dem Papier – also jetzt ohne digital retuschieren zu müssen – irgendwie ins Bild mit hineinarbeiten. Ein Vorteil ist auch, dass man natürlich, wenn man ein großes Bild malt und man sich in einer Ecke irgendwie mal versemmelt… Man selbst sieht nur noch diese Ecke, diesen einen Fehler, aber jemand, der das Bild quasi ohne dieses Vorwissen betrachtet, wird ja nie sehen, da war die Intention eigentlich eine andere und nimmt das so hin, wie es aussieht. Und das geht mir manchmal auch schon so, also wenn ich mal wirklich einen ganz schlechten Tag habe und irgendwas überhaupt nicht in die Richtung geht, wie ich mir das vorgestellt habe… Gerade mit Aquarellfarben ist das auch manchmal ein Kampf, weil die doch ein Eigenleben haben. Da hilft es dann manchmal schon einfach abzubrechen und zu sagen, ich gehe jetzt, ich muss das mal zwölf Stunden nicht sehen. Um dann am nächsten Tag wiederzukommen, und man sich dann vielleicht sogar fragt, was denn eigentlich gestern das Problem war. Weil man einfach mit einem frischen Blick draufgucken kann.
Anna:
Und das macht ja wahrscheinlich auch einen Teil von dieser Lebendigkeit aus von den Bildern, dass da eben auch Fehler drin passieren dürfen und dann werden die Teil des Bildes und dann arbeitest du eben damit und dann gehört das am Ende dazu.
Torben:
Ja, also ganz besonders im Hinblick auf die Aquarellfarben ist es so, dass die natürlich trocknen, wie sie wollen. Also ich habe dann ganz häufig entweder, dass ich mir vorgestellt habe, das möchte ich mit einem kräftigen Blau haben und suche mir dann ein Blau aus meinem Malkasten aus, koloriere dann diese Ecke. Und es trocknet, und aus diesem Blau wird mehr und mehr ein Grau. Also diese leuchtende Farbe, die die Farbe noch im Malkasten hatte, kommt auf dem Papier einfach nicht so richtig zur Geltung. Am Anfang hatte ich das noch mehr, mittlerweile habe ich mir da kleine Hilfsmaßnahmen geschaffen. Also ich habe jetzt jede Farbe in meinem Aquarellkasten nicht nur als Farbnapf, sondern die entsprechende Farbe auch immer in so einem kleinen Vorschaufenster. Also ich habe jede Farbe so als kleines Muster mir selbst hingemalt, damit ich weiß, so sieht es getrocknet auf dem Papier aus. Das kommt also zum Glück nicht mehr so viel vor. Aber natürlich kann auch, gerade wenn man eine große Fläche mit Farbe anlegt, das kann trocknen, wie es will. Also da hat man manchmal Trocknungsränder oder es entstehen so wolkige Spuren, weil da mehr Wasser war und auf der anderen Ecke ist dann mehr Farbe. Aber das sind auch Sachen, die einen wiederum überraschen können. Und auch das, was ein Aquarell lebendig macht. Dass man eben nicht so eine monotone Farbhintergrundfläche hat, sondern die Farbe lebt. Also wie gesagt, manchmal ist da mehr Wasser, da ist mehr Farbe, es entstehen so wolkige Lavuren. Also Aquarelltexturen sind per se einfach spannend. Und spannend, weil sie sich quasi selbst so entscheiden auszusehen.
Anna:
Ja, das kann ich mir auch total vorstellen, dass das Material an sich dann ja auch wieder einen gewissen eigenen Weg einschlägt. Und dann trittst du damit wieder in den Dialog und guckst, was du dann weiter damit machst. Das ist ja auch lebendig.
Torben:
Ja, genau. Wie gesagt, manchmal muss man diesen kleinen Kampf dann auch aushalten. Also das sind tatsächlich die Sachen, wo ich mir manchmal ein bisschen mehr Geduld wünsche. Weil wenn ich Bilder ruiniere, dann ist es, weil ich zu ungeduldig bin. Dass eine Fläche angelegt ist, Farbe ist drauf, sie fängt an zu trocknen und ich sehe, es gefällt mir nicht. Wenn ich dann zu früh anfange, daran rumzudoktern, mache ich es eigentlich nur schlimmer.
Anna:
Also im Zweifel zwingt dich dann das Material dazu, eine Nacht drüber zu schlafen, es liegen zu lassen und dann halt am nächsten Tag mit einem frischen Blick wieder drauf zu gucken?
Torben:
Genau, also dieser Abstand ist dann auch immer ganz wichtig, wenn mal irgendwas nicht so ganz läuft, wie man sich das vorgestellt hat.
Anna:
Welche Freiheiten hast du denn als Illustrator und Zeichner, die du als Schriftsteller nicht hast?
Torben:
Ich glaube, ich bin in der besonderen Situation, dass ich eben meine Bilder malen kann und die Texte dazu schreibe. Ich habe das tatsächlich unabhängig voneinander noch nicht so viel wahrgenommen. Natürlich habe ich schon für Projekte illustriert, wo ich dann die Texte nicht geschrieben habe, aber diese Kombination erlaubt mir natürlich erzählerisch viel freier zu arbeiten. Also ich sehe mich dann wirklich mehr als Geschichtenerzähler oder als, ja, mehr oder weniger fast Regisseur meiner Geschichte, weil ich mir überlegen kann, ich baue hier im Text etwas an Spannung auf und das Bild wird dann diese Spannung auf der nächsten Seite auflösen können. Das ist so ein Akt der Inszenierung, den ich dann leisten kann. Der schwierig ist, wenn man diese Disziplinen voneinander getrennt hat. Also ein Autor, eine Autorin ist natürlich freudig dabei, diese Auflösung einer Spannungssituation auch im Text zu haben. Aber mein Vorteil ist es, das dann eben komplett auf das Bild übertragen zu können. Und vielleicht ist das auch so ein klein bisschen das, was meine Bücher auszeichnet. Es zieht sich ein Erzählstrang auf jeden Fall durch, aber er ist eben in den Medien unterschiedlich präsent. Also manche Sachen dürfen auch wirklich im Bild erzählt werden. Also das ist tatsächlich der große Vorteil, dass ich beides machen kann.
Anna:
Das ist mir beim Lesen auch aufgefallen, dass das so schön ist: Also ich lese einen Teil Text und dann schlägt man um und dann ist da so eine riesige Doppelseite. Zum Beispiel die, wo in dem neuesten Buch dann plötzlich der Löwe da ist, dieser riesige Löwe da schläft und davor die kleine Maus an der Pfütze, die am Trinken ist. Und das ist richtig so: Wow, okay, oh, da ist der Löwe ja schon. Hui, das ging jetzt aber schnell. Das war so ein richtig schöner Überraschungsmoment. Und dann auch wieder so ein wunderschönes Bild! Also ich finde das total schön, wie sich da Text und Bild ergänzen und wie die in den Dialog treten miteinander.
Torben:
Ja, das ist noch ein sehr gutes Beispiel für dieses Prinzip, weil ich da auch im Text gar nicht groß darauf eingehe, was dann als nächstes kommt. Das ist so ein Gegenbeispiel. Manchmal baue ich eben im Text eine Spannung auf und der Wechsel der Seite offenbart dann, was ich gerade im Text aufgebaut habe. Aber da erzähle ich tatsächlich mehr oder weniger aus der Sicht der kleinen Maus, die eigentlich nur noch im Kopf hat, endlich irgendwo was zum Trinken zu finden – auf ihrer Suche nach einem Löwen. Aber das hat plötzlich dann keine Priorität mehr, weil der Durst einfach zu stark ist. Und sie denkt vielleicht in dem Moment auch gar nicht mehr an ihre Löwensuche, findet dann aber eine Wasserstelle, landet dort, trinkt ganz unbedarft unten in der Ecke und sieht auch selber den Löwen noch gar nicht, der groß schlafend im Hintergrund zu sehen ist. Und wir sind quasi genau wie die Wühlmaus eingeladen, überrascht zu sein in dem Moment, weil das auch für uns in dem Moment eine nicht erwartete Bildkomponente ist.
Anna:
Und die gelingt total, die Überraschung. Also das kann ich dir auf jeden Fall sagen. Das war ein richtig schöner Moment in diesem Buch, „Earhart“, muss ich vielleicht nochmal nennen.
Wie alt ist denn der Großteil deiner Leserinnen und Leser? Sind das wirklich mehr Kinder oder sind da auch viele Erwachsene? Also natürlich die Eltern wahrscheinlich… Aber ich könnte mir auch vorstellen, dass es auch trotzdem eine Erwachsenen-Fangemeinde gibt, oder? (Ich habe gesehen, es gibt sogar eine Ausstellung in Japan gerade mit Originalzeichnungen aus der Mäusereihe?!)
Torben:
Ja, also ganz offiziell ist meine Zielgruppe – was auch der Verlag dann kommuniziert – Kinder im Grundschulalter. Also es geht dann so vielleicht ab fünf, sechs Jahren los. Das sind auch dann so die Altersgruppen, für die ich auch meine Lesungen und meine Bilderbuch-Kinos anbiete. Es geht dann hoch bis vielleicht in die fünfte Klasse; sechste Klasse vielleicht auch nochmal. Das ist so das Feld, wo ich unterwegs bin. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass das wesentlich weiter gefächert sein kann. Also ich habe schon Nachrichten und Briefe gekriegt von Kindern, die das schon mit drei Jahren gelesen haben, was ja dann doch noch eine Ecke jünger ist, die sich aber trotzdem voll und ganz in diesen Bildern verlieren können. Und eine Rückmeldung, die ich auch kriege, ist, dass meine Altersstufe, so Mitte 30 bis Mitte 40 und sowas, dass die das auch sehr gerne dann mit ihren Kindern zusammen lesen. Und auch mit einer Häufigkeit, weil eben auch Erwachsene in den Bildern was erkennen können. Also da sind ja auch viele historische Verweise oder auch so kleine Inside-Gags und kleine Easter Eggs drin eingebaut, die für ein Kind jetzt vielleicht nicht unbedingt wichtig sind für den Ablauf der Geschichte, aber man kann vielleicht was erkennen. Wenn zum Beispiel in „Armstrong“, in dem Weltraumbuch, im Hintergrund so eine Karte zu sehen ist mit Mausesichtungen und da sind so leicht zwielichtig aussehende menschliche Figuren zu erkennen, Rückenansicht mit Schlapphüten, und man sieht hinten in der Ecke so ein Bild von einer Figur und die, die es genau wissen, erkennen vielleicht: Ach, das ist J. Edgar Hoover! Und das ist demnach jetzt das FBI, das da aktiv wird. Aber das muss ich natürlich nicht erzählen, aber es ist eine Sache, die man entdecken kann. Ja, also würde ich sagen, prinzipiell habe ich eine sehr weite Zielgruppe. Und die älteste – also in Anführungsstrichen „älteste“ Rückmeldung – die ich bekommen habe, das waren tatsächlich sich im Ruhestand befindliche Ingenieure, die sich trotzdem noch mit Leidenschaft durch diese Bücher arbeiten und sich an den Erfindungen der Mäuse erfreuen.
Anna:
Ach, wie schön. Das heißt, es sind Bücher für jedes Alter. Du hast jetzt gerade schon deine Lesungen erwähnt. Magst du dazu vielleicht noch kurz erzählen, wie das so abläuft? Weil, ich meine, Lesungen mit Bilderbüchern sind natürlich immer ein bisschen schwierig. Du kannst ja nicht nur vorlesen, sondern irgendwie musst du deine Bilder ja auch zeigen. Wie machst du das?
Torben:
Ich mache das in Form eines Bilderbuch-Kinos. Also das baue ich auch tatsächlich dramaturgisch so ein bisschen auf. Ich erzähle den Kindern, was sie heute erwartet, dass ich aber nicht nur für eine Lesung da bin. Da kann ich dann immer schon ein bisschen humorvoll darauf zeigen, dass ich eigentlich für eine Lesung ja nicht viel Arbeitsmaterial bräuchte. Ein Stuhl, der auf einer Bühne oder sonst wo steht, da setze ich mich drauf, schlage ein Buch auf, fertig ist die Lesung. Das geht leider nicht mit meinen Bilderbüchern. Da brauche ich ein bisschen mehr. Ich könnte natürlich die Bilder hochhalten. Funktioniert natürlich auch nicht. Die erste Reihe kann noch was erkennen. Dann frage ich aber die hintere Reihe, ob sie noch irgendwelche Details ausmachen können. Geht dann auch nicht. Aber dann kann ich natürlich sagen, wir haben aber hier einen Beamer aufgebaut und da ist eine große Leinwand. Und deswegen machen wir das nicht als Lesung, sondern wir erweitern das Ganze zum Bilderbuch-Kino. Und so erzähle ich dann auch die Geschichte. Also manche Mäuse-Abenteuer kann ich komplett lesen. Die ersten beiden sind noch kurz genug, dass sie so in ein ungefähr einstündiges Programm, was ich mir da zusammengebastelt habe, reinpassen. Und die späteren, da habe ich dann so selektive Kapitel aus den Büchern, die ich vorlese.
Anna:
Man muss ja vielleicht auch nochmal sagen: Es gibt ja auch noch mäusefreie Bücher in deinem Oeuvre. Ich habe jetzt auch „Die Graue Stadt“ gelesen. Da geht es um ein Mädchen, das in eine Stadt kommt, die ganz grau ist. Dann geht sie auf die Suche nach den Farben und erweckt die Farben wieder zum Leben in der Stadt, kann man sagen. Und dann gibt es noch die „Maulwurfstadt“. Das sind also nochmal zwei Bücher von dir, die ohne Mäuse auskommen. Vermisst du dann die Mäuse, wenn du an solchen Büchern arbeitest?
Torben:
Ne. Tatsächlich sind diese Bücher auch sehr wichtig, weil ich eigentlich nach jedem Mäuseabenteuer ein kleines bisschen mäusemäßig ausgebrannt bin. Und ich freue mich dann, mich mit irgendwas anderem zu beschäftigen. Also ich habe es fast immer geschafft, ein Mäuseabenteuer zu machen und dann erstmal irgendwas anderes. Nach dem ersten kam dann die „Maulwurfstadt“, dann kam „Armstrong“, das nächste Mäuseabenteuer. Ich weiß gar nicht, was ich dann als nächstes gemacht habe, weil ich auch manchmal Auftragsarbeiten oder kleinere Bücher oder auch für erwachsene Literatur manchmal was illustriert habe. Zum Beispiel im Bereich Jugendbuch mache ich die Umschlaggestaltung für die Bücher von Frida Nilsson. Das ist auch immer sehr schön, weil es mal so eine ganz andere Art von Projekt ist. Also da gibt es eine ganze Erzählung in Textform, aber es braucht nicht viele Bilder. Also es braucht natürlich ein Titelbild und vielleicht ein paar Vignetten. Das ist mal so was komplett Entgegengesetztes zu meiner sonst sehr detailversessenen und bildintensiven Arbeitsweise. Und jetzt nach dem vierten Mäuseabenteuer „Einstein“ hatte ich eben dann die Idee, mal wieder was ganz ohne Mäuse zu machen und vor allem auch mal nicht mit Tieren zu arbeiten. Deswegen kam die Idee mit „Die graue Stadt“. Und nach „Die graue Stadt“ war ich dann aber auch wieder bereit, fürs Jubiläum der Mäusereihe mit „Earhart“ quasi ein Jubiläumsbuch zu machen und zu den Anfängen der Reihe und nochmal zu den fliegenden Mäusen zurückzukehren.
Anna:
Ein Tier hat sich ja in „Die graue Stadt“ auch reingemogelt: die graue Katze… Gibt es schon Pläne für ein nächstes Mäusebuch?
Torben:
Ja, tatsächlich liegen da schon auf meinem Zeichentisch ein paar Skizzenbücher. Da ist noch nicht viel drin, aber ich habe mir tatsächlich jetzt für diesen Herbst vorgenommen, stark in diese Konzeptionsphase, in diese frühe Phase einzutauchen, die ich auch immer sehr schätze, weil man noch nicht genau weiß, wo der Weg hinführt. Also ich habe Ideen für eine Geschichte, ich habe auch grobe Handlungsstränge, aber es ist eben alles noch unsortiert und eigentlich nur ein wildes Potpourri, wo ich jetzt anfangen muss, Ideen rauszusaugen und die dann auch konkret werden zu lassen.
Anna:
Und was schätzt du ungefähr, wie lange dauert es dann erfahrungsgemäß, bis das nächste Buch erscheinen wird?
Torben:
Im letzten Moment hängt es dann vom Verlag ab, aber ich denke, dass wahrscheinlich, also spätestens im Frühjahr 2027, dann das nächste in den Startlöchern steht. Also das ist, finde ich, zum jetzigen Zeitpunkt eine sehr realistische Einschätzung.
Anna:
Ja, das ist ja auch jetzt nicht morgen, aber es ist absehbar, zumindest. Da freuen sich die Fans wahrscheinlich, wenn sie hören, dass es wieder was gibt. Wie schön. Torben Kuhlmann, vielen, vielen Dank für deine Zeit und für die Einblicke in dein gemütliches Atelier hier unterm Dach, das auch vollhängt mit Zeichnungen von dir und aber auch Fotos, sehe ich, von… Ist das da hinten Amelia Earhart? Die Protagonistin oder die Ideengeberin, kann man vielleicht auch sagen, für dein letztes Mäusebuch. Vielen, vielen Dank und ich freue mich, dass ich hier ein bisschen Einblicke bekommen habe.
Torben:
Sehr, sehr gern.
Anna:
Und natürlich auch – wie immer – euch, lieben Hörer:innen, ganz, ganz vielen Dank. Auf bald und auf Wiederhören!
---
Der Text wurde KI-gestützt transkribiert.