Wie wird man Aktivistin für Europa? Und wie bleibt man es auch über Jahrzehnte hinweg? Die Europäerin Nini Tsiklauri teilt in dieser Folge ihre Erfahrungen von transnationalen Demos bei „Pulse of Europe“ und wie das Niederschreiben ihrer Perspektive in ihrem Buch Lasst uns um Europa kämpfen (2020) ihre Arbeit als Europa-Aktivistin beeinflusst. Wie sie Jugendliche mit ihrer Geschichte motiviert, was sie sich von Europa-Abteilungen in Buchhandlungen wünscht – und was nicht – berichtet sie in dieser Folge des Literaturhaus Podcasts.
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Sophie Anggawi:
Heute mit mir Sophie Anggawi und ich darf sprechen mit Nini Tsiklauri. Sie ist Schauspielerin, aber auch Politikwissenschaftlerin, Autorin des Buches „Lasst uns um Europa kämpfen“. Sie ist Podcasterin und setzt sich in ihrer Arbeit auf all diesen Ebenen für ein vereintes und demokratisches Europa ein. Und über den langen Atem, den es für diese Art von Aktivismus braucht, wollen wir heute im Literaturhaus-Podcast sprechen. Hi Nini.
Nini Tsiklauri:
Hi, danke für die Einladung.
Sophie Anggawi:
Sag mal, Nini, du bist aufgewachsen zwischen, jetzt muss ich gucken, dass ich nichts vergesse, Georgien, Ungarn, Deutschland und jetzt bist du in Österreich. Ab wann hast du dich als Europäerin gefühlt?
Nini Tsiklauri:
Das erste Mal eigentlich, als ich die Rosenrevolution in Georgien gesehen habe und das war auch das erste Mal, dass ich Menschen gesehen habe, die Europafahnen tragen, also wirklich Familien, die auf die Straßen gehen und für etwas einstehen und da hat es in mir Klick gemacht. Dann habe ich mich gefragt, wow, was ist das, warum?
Und das hat sich dann langsam ergeben und es wurde dann immer mehr, nachdem ich Menschen begegnet bin in Deutschland, in unterschiedlichen Ländern in Europa, unterschiedlichen jungen Menschen, die zwar anders gesprochen haben, anders aufgewachsen sind, aber mit denen ich sehr viele Gemeinsamkeiten gefunden habe und dann festgestellt habe, wir sind gar nicht so unterschiedlich voneinander, wir sind Europäerinnen und Europäer und die Unterschiede, die uns ausmachen, das sind unsere Stärken.
Sophie Anggawi:
Das heißt, du bist durch diese Vielfalt dazu gekommen, dich als Europäerin zu fühlen.
Nini Tsiklauri:
Ja.
Sophie Anggawi:
Und erinnerst du dich noch an deinen ersten Einsatz im Namen von Europa?
Nini Tsiklauri:
Wow, ja, der erste Einsatz, jetzt muss ich ganz lange zurückgehen, ja, war wahrscheinlich konkret als Demo jetzt im Rahmen der Pulse of Europe Demonstration damals, die europaweit stattgefunden haben. Das war so. Ich habe gesehen, dass in Frankfurt am Main Menschen auf die Straßen gegangen sind mit Europa fahren. Und ich hatte ein massives Flashback, also an die Rosenrevolution von damals in Georgien und dachte mir, wow, endlich passiert was. Und es gehen einfach Menschen auf die Straße, freiwillig für die europäischen Werte. Und ich dachte mir, genau das ist es, was wir im Moment brauchen, um das Bewusstsein zu stärken, um zu zeigen, dass die negativen Stimmen, dass die lauten rechtspopulistischen Stimmen nicht diejenigen sind, die in der Mehrheit sind, nur weil sie laut sind, sondern es gibt eine große pro-europäische Mehrheit und die wird jetzt endlich sichtbar. Und in Österreich gab es damals diese Bewegung noch nicht und ich dachte mir, irgendjemand muss das jetzt machen. Zuerst habe ich jetzt erst einmal gewartet und habe gehofft, dass jemand kommt und die Initiative ergreift, aber es ist nichts passiert. Und ich war auch in dem Moment so, ich habe bis dahin nie selber eine Demo organisiert gehabt, also ich wusste nicht, wie ich da jetzt anfangen sollte.
Aber dann habe ich einen Tweet damals rausgelassen und gesagt, Leute, wir müssen jetzt was machen, lasst uns doch treffen am Karlsplatz und mit Europa fahren auf die Straßen, gehen uns anschließen dieser transnationalen, solidarischen Demo für Europa. Und dann sind ein paar Leute da hingekommen und dann ist es genau so gestartet, also ganz improvisiert mit ein paar Fähnchen, mit einer kleinen Musikbox und haben angefangen mit Gesprächen. Die Leute haben uns dann beobachtet, haben sich gefragt, was ist das, haben nicht verstanden, wir sind keine politische Partei, wir sind keine politische Bewegung an sich, parteipolitische Bewegung, sondern wir sind einfach eine zivilgesellschaftliche Bewegung. Und das war so spannend, da einfach zu zeigen, das kann es auch geben. Und wir sind dann in super spannenden Diskussionen gekommen mit Menschen europaweit und in Österreich auch regionenweit, also wir haben wirklich auch Projekte dann versucht auch umzusetzen, die nicht nur urban sind, sondern auch wirklich quasi in die Bundesländer auch hineingehen, was sehr, sehr wichtig ist und auch spezifisch dann unter anderem auch auf die jungen Menschen bezogen, um ein bisschen dieses Entrepreneurship dahinter, hinter Europa-Aufklärung, also demokratische Aufklärung, aber auch Bildung und ja einfach Jugendliche zu fördern, die in ihren eigenen lokalen Umgebungen einfach die Demokratie, Bildung fördern und in ihrer Art und Weise sozusagen was dafür tun und ja es war es war einfach genau dieser Impuls damals, der sich dann aber mit der Zeit verändert hat, dann kam ja natürlich die Covid-Pandemie und danach hat sich wirklich vieles verändert in der Art und Weise, wie wir dann auf die Menschen zugegangen sind und auch mit ihnen kommuniziert haben.
Vieles hat sich virtuell verlagert, es gab virtuelle Klassenzimmer, die ich gemacht habe für Klassenräume, wo wir uns auch mit dem Pfeiltasten vorne nach hinten bewegt haben und den Lehrerin gelauscht haben und eigene Pixelfiguren hatten miteinander, also wir haben ja eigentlich echt spannende Zeiten durch, wenn man sich das so überlegt in den letzten Jahren und eigentlich erst wirklich so in den letzten zwei, drei Jahren hat sich das dann wieder so langsam wieder zurückentwickelt. Es wird nie mehr so sein, wie es vorher war so in dem Ausmaß, denke ich, weil es einfach für die Menschen schwieriger geworden ist.
Wieder diese Kraft aufzuwenden für so etwas, das ist zumindest mein Eindruck im Moment.
Sophie Anggawi:
Also, es ist schwerer, Menschen zu motivieren, auf die Straße zu gehen.
Nini Tsiklauri:
Ich denke schon, ich denke schon, dass sich da schon etwas getan hat und ich glaube auch, dass es auch daran liegt, dass man auch gesehen hat, auch bei Fridays for Future Bewegungen zum Beispiel, am Anfang sind diese Bewegungen super wichtig und super spannend, damit man versucht, die Entscheidungsträgerinnen aufmerksam zu machen auf die Sachen, die den Bürgerinnen und Bürgern wichtig ist. Und es ist dann auch irgendwie geschehen, in vielen Parteien haben sich plötzlich Politikerinnen und Politiker als pro-europäisch geoutet oder auch eben bei Fridays for Future-Demos dann als diejenigen, die sich irgendwie jetzt mit der Klimakrise beschäftigen.
Aber es haben dann mit der Zeit doch die konkreten Ansätze und das Engagement derjenigen, von denen wir es gefordert haben, irgendwie gefehlt. Und da war dann schon so eine leichte Enttäuschung auch zu spüren bei vielen, die sich dann gesagt haben, okay, aber ich kann das nicht ewig weitermachen. Viele haben wirklich sehr viel Zeit und auch Geld und auch Energie rein investiert, haben teilweise ihr Studium ausgesetzt, um einfach diese Demos durchzuziehen. Und das ist natürlich irgendwie begrenzt irgendwann. Und dann fragt man sich, okay, was können wir jetzt tun, um das weiterzumachen, aber in einer anderen Art und Weise. Und da gab es dann spannende Projekte, die sich daraus entwickelt haben.
Sophie Anggawi:
In so einer Demo, in so einer transnationalen Demonstrationsbewegung, da so richtig, du hast gesagt, ihr wart ja so richtig am Puls der Zeit dabei, trägst du was von dieser Motivation, von dieser Kraft, die du da erlebt hast, auch in deine jetzige Zeit als Aktivistin?
Nini Tsiklauri:
Die Pulse-of-Europe-Zeit hat mich sehr geprägt als Mensch, ich war sehr inspiriert durch Daniel Röder und Sabine Röder, die das initiiert haben in Frankfurt am Main, weil das für mich wirklich, also die Menschen waren, die es wirklich geschafft haben, in dem Moment einfach, wie sie immer gesagt haben, vom Sofa aufzustehen, kein Couch-Potato zu sein, sondern wirklich aufzustehen, auf die Straße zu gehen, etwas zu tun, egal was, aber einfach zu machen und nicht abzuwarten, weil genau darin liegt einfach die Lösung. Und ich glaube, dass das in allen von uns steckt, also in allen Bürgerinnen und Bürgern steckt irgendwo diese Macherin.
Und es war aber auch eine Zeit, in der das schon so alarmierend war. Also wir müssen zurückdenken, damals mit Le Pen und mit Wilders, also die Wahlen, die da stattgefunden haben in unterschiedlichen europäischen Ländern, waren ja Zitterwahlen. Also da ging es wirklich um EU-Austritte und ob es die Europäische Union so an sich weitergeben kann. Also es waren immer diese entscheidenden Fragen, die uns alle erschüttert haben und wo wir alle transnational bemerkt haben, Moment, wir sitzen ja eigentlich irgendwie alle im selben Boot, wir sind miteinander verflochten, verbunden und wenn etwas in einem anderen Land schief geht, dann wird es uns auch schlecht gehen. Das heißt, wir müssen zusammenhalten und wir sind dafür verantwortlich, für das, was in einem anderen Land passiert.
Und deswegen, das ist das Spannendste für mich, was ich da erlebt habe, dass sich Menschen in Österreich beispielsweise für Leute in Frankreich eingesetzt haben, dass die darauf aufmerksam gemacht werden, dass dort Wahlen stattfinden und zur Wahlurne gehen. Und wir haben auch französisch demonstriert, Signal ausgesendet, alle möglichen Plattformen genutzt, um wirklich dort Menschen zu erreichen, auch Freundinnen und Freunde, die dort leben, geschrieben, Leute, es geht jetzt um alles. Und das ist für mich wirklich gelebte europäische transnationale Solidarität.
Sophie Anggawi:
Aber also, ich meine, innerhalb der EU funktioniert, das hast du ja gerade beschrieben, funktioniert das ja manchmal wirklich richtig toll, du bist aber gleichzeitig ja auch ganz eng verbunden mit dem Land Georgien, das ja noch nicht Teil der EU ist und wie es momentan aussieht, dieser Weg in die EU hinein wird ja auch immer weiter erschwert, auch wenn die Menschen total protestieren. Würdest du dir da mehr Solidarität wünschen von Menschen, die schon in der EU leben und all diese in die Genüsse dieses Staatenverbundes kommen, dass sie auch sich mehr einsetzen für Staaten, die gerne in die Anwärterschaft kommen würden?
Nini Tsiklauri:
Ich habe gesehen, dass es schon Solidarität gab in europäischen Ländern und dafür bin ich sehr dankbar und viele andere Mitstreiterinnen, die seit über Tagen jeden Tag aufs Neue demonstrieren und kämpfen für die Demokratie auch wirklich das Schätzen zu schätzen wissen.
Was ich mir wünschen würde, ist, dass wirklich die europäischen Politikerinnen und Politiker, die Entscheidungsträger in wichtigen Positionen, das Georgian Dream-Regime nicht als solche akzeptieren. Denn, wie ja festgestellt wurde, waren die Wahlen massiv gefälscht in den vergangenen Jahren. Sei es jetzt Kommunalwahlen, sei es jetzt nationalen Parlamentswahlen oder Präsidentschaftswahlen. Das ist sehr ersichtlich und auch erwiesen.
Und wenn also diese Figuren versuchen, in Europa eine Hand auszustrecken, erwarte ich, dass keine Hand zurückgegeben wird. Weil jede Person, die dieses Regime akzeptiert, hilft dabei, dass sie sich immer mehr dort festigt und hilft dagegen, dass die Zivilgesellschaft sich die Demokratie zurückerkämpfen kann. Und das ist wirklich wichtig, dass diese Message verstanden wird und nicht unterschätzt wird. Weil die Zivilgesellschaft kann im Moment wirklich jede Hilfe gebrauchen auf den Straßen in Georgien. Es sind immer mehr Repressionen, immer mehr Inhaftierungen. Es sind so wenige Menschen auch übrig geblieben, die nicht inhaftiert worden sind oder eingeschüchtert oder ins Ausland gehen mussten, weil es einfach schon zu gefährlich für sie geworden ist.
Und in jeder Art und Weise ist da wirklich ein Support willkommen aus Europa. Und wenn man das Große und Ganze sieht, versteht man eigentlich auch, dass wir um dasselbe kämpfen. Es geht nicht nur um die Demokratie in Georgien, sondern generell um Europa, denn die Kräfte, die die Demokratie vor Ort im Land in Georgien bedrohen, sind ein Teil von dem System, das im Moment, dieses autoritäre System, das interessiert ist, auch die Demokratien in Europa zu zerstören.
Sophie Anggawi:
Also du warst ja auch Kinderschauspielerin unter anderem für die wilden Kerle oder für Schloss Einstein und du hast auch einen Podcast gehabt, du gibst Workshops, du gibst Interviews. Das heißt du bist diesen ganzen Medienrummel ja total gewohnt, du weißt also wie diese Öffentlichkeit funktioniert und trotzdem hast du jetzt auch noch ein Buch geschrieben letztes Jahr, Lasst uns um Europa kämpfen. Ist das auch Teil dieser aktivistischen Arbeit gewesen, um auch nochmal diese Verbindungen und diese Solidarität aufzurufen zwischen der EU, den europäischen Ländern und Georgien?
Nini Tsiklauri:
Ich muss kurz korrigieren, das Buch ist in 2020 rausgekommen.
Sophie Anggawi:
Oh mein Gott, okay.
Nini Tsiklauri:
Aber das Buch wird noch immer hergenommen, und das finde ich wirklich bemerkenswert, in Schuldiskussionen, in Workshops, in Interviews, weil einfach in diesem Buch die ganze Geschichte des Aktivismus, des Europa-Aktivismus, das Warum, das Wie, auch praktische Sachen mit drinstehen. Und das war wirklich ein Herzensprojekt in der Corona-Zeit, also das hat mich eigentlich so ein bisschen dazu gezwungen, endlich mal diese Erfahrungen, die ich in den Jahren davor gemacht hatte, zusammenzufassen, zusammenzubringen und einfach zu erzählen. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich dadurch einfach an junge Menschen rankommen kann, an Schulen beispielsweise, wo ich wirklich erzählen kann von Geschichten, die mich zum Changemaker gemacht haben, also Geschichten, wie du gefragt hast, wie bist du zur Europäerin geworden, oder wann hast du das gemerkt, also gerade dieser Spirit, das ist total wichtig, dass das irgendwie auch greifbar wird, und ich versuche das immer etwas leichter zu verstehen, zu kommunizieren und auch greifbar zu machen für gerade jüngere Menschen, die mit diesen komplexen EU-Institutionen und der Geschichte erstmal erschlagen sind und nicht anfangen können, aber eigentlich ist das sehr, sehr leicht und eigentlich ist das sehr emotional und ich finde, dass Europa noch viel mehr ist und eine Seele hat und genau diese Seele muss unbedingt kommuniziert werden und das schaffen am besten Menschen, die genau zwischen diesen zwei Welten aufgewachsen sind, außerhalb der EU und innerhalb der EU und sehen, wie wertvoll das Projekt ist und warum es sich wirklich lohnt, dafür zu kämpfen.
Sophie Anggawi:
Weil du genau auch diese andere Perspektive kennst.
Nini Tsiklauri:
Ja, dafür bin ich auch sehr dankbar. Ich bin sehr viele Jahre in Georgien auch bei meiner Großmutter aufgewachsen. Das war in der Zeit, in der Schewardnadse damals Präsident war in Georgien. Also noch vor den Reformen, noch vor den europäischen Reformen, noch bevor es eine Infrastruktur gegeben hat, bevor es freie und faire Wahlen gegeben hat und sich einfach das Bildungssystem auch nach vorne bewegt hat. Es sind so viele Sachen passiert in der Zwischenzeit, in der ich dann nach Deutschland gekommen bin. Und für mich war das wirklich ein Schock, eigentlich zurückzukommen nach dem Krieg in Host*in: Sophie Anggawi008 nach Georgien und zu sehen, wow, es hat sich schnell erholt.
Also die Schulen, die ich dann dort besucht habe und gesehen habe, waren digitalisiert. Das war nicht mehr so, wie ich damals zur Schule gegangen bin, die keine Sanitäranlagen hatte, keine Heizung, wo man die Lehrerin vor Rauch nicht gesehen hat. Die Geschichte erzähle ich immer wieder gern, weil wir einfach Öfen in den Klassenzimmern hatten und selber Holz mit in die Schule nehmen mussten. Also sie sind zuständig gewesen. Die kennen einfach junge Leute so in der EU nicht. Aber für mich war das einfach normal und auch, dass es kein fließendes Wasser gab, kein Strom und man einfach unter diesen Lebensumständen aufwachsen musste.
Und ja, das versuche ich immer wieder zu vermitteln, dass es einfach viele Vorteile gibt, wenn man sich zusammentut und wenn man für so ein Projekt kämpft, was eigentlich auch eine sehr lange Geschichte hat und sehr lange gekämpft wurde. Und es wäre jetzt viel zu schade, um einfach nichts zu tun und seinem Schicksal zu überlassen, weil einfach viel zu viel auf dem Spiel steht. Und ja, das ist so meine Message, mit der ich gerne unter die Leute gehe.
Sophie Anggawi:
Und wieso war es dann so wichtig für dich, das nochmal auch in Buchform zu fassen? Also du hast auch gesagt, gehst du damit auch in die Schulen rein selbst und nimmst dann Textpassagen und arbeitest mit den Schülerinnen und Schülern daran?
Nini Tsiklauri:
Genau, also ich habe die Geschichten über die Erfahrungen in Ungarn, in Georgien zusammengefasst. Geschichten über Begegnungen mit spannenden Menschen auf der Straße, sowohl in den Städten als auch in den Regionen, in den ländlichen Gebieten in Europa. Gespräche mit Staatschefs oder Begegnungen mit Staatschefs. Ich fand das auch immer witzig, weil irgendwie hatte ich immer das Glück, so ein bisschen wie Forrest Gump, immer an der richtigen Stelle zu sein in den letzten Jahren und habe einfach spannende Persönlichkeiten kennengelernt, an die man sonst nicht so leicht rankommt und die man auch so ein bisschen hinter den Kulissen kennenlernt.
Sophie Anggawi:
Das schreibe ich.
Nini Tsiklauri:
Nicht durch das Schreiben, es war eher die Begegnung, beispielsweise in Host*in: Sophie Anggawi011 und Host*in: Sophie Anggawi01Host*in: Sophie Anggawi mit dem damaligen Präsidenten Saakaschwili in Georgien, es ist eine Reportage nämlich über den Krieg, über den Kaukasus-Krieg, im Fernsehen gelaufen, die ich mitgestaltet habe. Und dadurch haben wir uns kennengelernt, weil wir festgestellt haben, dass wir Host*in: Sophie Anggawi008 tatsächlich im Krieg aneinander vorbeigefahren sind mit den Autos, weil ich ja die Aufnahmen gezeigt habe. Und da ist dann irgendwie so eine Verbindung entstanden, wir haben uns kennengelernt und ich hatte das Glück einfach zu sehen, was er macht und welche Projekte er umgesetzt hat in den letzten Jahren. Also ich durfte irgendwie in die Regionen beispielsweise und die Bauarbeiten mitverfolgen und zusehen, wie es in Südgeorgien an der Grenze zu Armenien, in Ahaltskirche beispielsweise vorangegangen ist, wie die Infrastruktur ausgebaut wurde. Also eigentlich wie ein verrückter Wissenschaftler fast schon, der so leidenschaftlich dabei war und diese Innovationskraft und die Liebe einfach zum Fortschritt und auch zu Demokratie und Freiheit mir damals auch irgendwie vermittelt hat. Also ich bin ja eigentlich damals auch sehr jung gewesen und eigentlich eher in diese Schauspieler-Welt. Ich war noch mitten in den Schloss-Einstein-Dreharbeiten und das war so eine einprägsame Erfahrung auch für mich einfach zu sehen, dass es auch Politikerinnen gab, die einfach hinter den Kulissen anders sind und arbeiten und er unter anderem.
Sophie Anggawi:
Und das beschreibst du ja auch alles in deinem Buch. Bist du auch in dieser Schreibarbeit, irgendwie hat die auch deine aktivistische Arbeit befeuert auf eine Art und Weise?
Nini Tsiklauri:
Die Schreibarbeit hat sich vor allem wegen der Corona-Pandemie damals entwickelt. Also eigentlich ist es damit angefangen, dass ich versucht habe, meine Erlebnisse zu verarbeiten, die ich im Krieg hatte und das Schreiben hat mir therapeutisch sehr geholfen, das alles irgendwie zu verarbeiten und wieder zu schreiben. Und ich habe angefangen, eigentlich hobbymäßig das auf einem Blog zu veröffentlichen, eigentlich bei StoryOne auf dem Portal und hatte richtig viel Spaß dabei. Und dann dachte ich mir, okay, ich würde eigentlich gern mehr schreiben. Und weil ich viel Zeit hatte, auch dann in der Pandemie zu Hause, habe ich mir dann wirklich einfach vorgenommen, so viel wie möglich von den Emotionen einfach niederzuschreiben und vielleicht auch die Traurigkeit, aber auch die Hoffnung.
Einfach so ein bisschen Empowerment zusammen zu verpacken mit Erlebnissen und auch praktischen Schritten, um das irgendwie dann an die jungen Leute vor allem zu bringen. Das heißt, ich habe es in einer sehr leichten Sprache geschrieben und ich wollte auch endlich ein Europabuch schreiben, wo nicht draufsteht, ach Europa oder Europa vor dem Untergang oder Dämmerung in Europa oder eben, also es sind ja immer, wenn man sich so umschaut in diesen Europa-Abteilungen, in Buchhandlungen, sind es so viele negative und sehr fast schon gruselige Titel und ich wollte wirklich etwas, was positiv ist und was Hoffnung gibt, weil ich glaube, genau das brauchen wir einfach im Moment und mit diesem Spirit gehe ich in unterschiedlichste Institutionen, Schulen, NGOs, es können auch ganz normale Abende sein, wo Poetry Slams stattfinden und so weiter, also es ist alles irgendwie mit dabei, aber am allermeisten macht es für mich Spaß, das an ganz junge Leute irgendwie heranzubringen und an Teenager, an Schülerinnen und Schüler, die mich mit großen Augen ansehen und sich fragen, wer ist jetzt diese Person und was erzählst du da für eine Geschichte? Und ich habe Erlebnisse gehabt von jungen Mädchen, die auf mich zugekommen sind und gesagt haben, wow, das war super inspirierend. Und sie haben mitbekommen zum Beispiel, wie ich mich da auf eine Podiumsdiskussion eingelassen habe.
Menschen, die viel erfahrener waren als ich, also Politiker, die wirklich schon sehr lange in der Politik sind, auch in der Europapolitik. Und ich da als junge Frau versucht habe, meinen Standpunkt fest zu halten und zu sagen, nein, es gibt noch Hoffnung für Europa. Und die andere Seite war eher so, naja, ich weiß nicht. Ja, und das war aber total faszinierend tatsächlich für diese Schulgruppe, die da irgendwie dabei gewesen ist. Das war in Salzburg, in einem riesengroßen Saal damals, bei einer Konferenz. Und es war ein 13-jähriges Mädchen, und sie ist auf mich zugekommen und hat gesagt, wenn ich groß bin, dann will ich genauso werden wie sie. Und in dem Moment, das war so wirklich, das war das Schönste und das schönste Kompliment. Und es hat mir wahnsinnig viel Kraft gegeben. Und ich wusste einfach, es ist super wichtig, dass es viel mehr solche jungen Menschen gibt, die einfach so eine Art Vorbildwirkung haben, eine Rolemodelwirkung haben auf andere. Weil ich glaube, der Moment, wenn andere Leute auch so realisieren, ich kann was tun, ist, wenn sie andere sehen, hey, sie haben das gemacht, und wenn sie das können, dann schaffe ich das auch. Und darum geht es auch so ein bisschen.
Sophie Anggawi:
Aber das stelle ich mir total schwierig vor, also wenn du dann da auf so Podiumsdiskussionen sitzt, einem gestandenen Politiker, vielleicht in seinen 50ern, 60ern gegenüber, da muss man ja eine wahnsinnige Kraft aufbringen und man braucht auch einen richtig langen Atem, um da wirklich sicher auch durchzukämpfen, nicht nur durch eine einzelne Podiumsdiskussion, sondern auch Jahre des Aktivismus. Wie machst du das?
Nini Tsiklauri:
Ganz ehrlich, ich war Anfang 20, Anfang Mitte Host*in: Sophie Anggawi0 und es war hart. Und das, was mich da vorangetrieben hat und mir Kraft gegeben hat, war der Gedanke einfach, dass ich weiß, dass ich damit einfach vielleicht einen Impact habe, positiv ist, der Menschen hilft, das Ganze in einem anderen Licht zu sehen, von einer anderen Perspektive zu sehen.
Und ich war es einfach satt, die Podiumsdiskussion zu sehen, egal ob im Fernsehen oder auch auf den Bühnen, auch in der Uni, wo einfach nur immer dieselben Leute drin saßen, die nicht wirklich so ein empowerndes Bild abgegeben haben von einem zukünftigen Europa, sondern eher, wow, es sind einfach zu viele Kräfte im Vormarsch, die Demokratien gefährden und wir sind in einem System, den wir jetzt nicht so leicht verändern können und wir wissen nicht, wie wir das machen sollen, weil es sind ja die Staats- und Regierungschefs, die Reformen sozusagen, die Europa braucht, herbeiführen müssen und es ist immer derselbe Kreis, in dem wir uns drehen, seit Jahren und ich habe mir gedacht, das muss jetzt einfach aufgebrochen werden und ja, es war schwierig und ich habe auch mit der Zeit viel dazugelernt und ich empfehle aber trotzdem jeder jungen Person, gerade auch jungen Frauen, setzt euch dem aus, weil es ist so wichtig, dass genau solche Stimmen gehört werden.
Ich finde, dass wir eine andere Erfahrung haben, eine andere Perspektive mit reinbringen, eine frische, eine junge Perspektive, die diese europäische Seele jetzt im Moment sehr, sehr braucht und ja, das liegt mir sehr am Herzen, dass sich vor allem Frauen auch sehr engagieren generell in der Politik, aber sich auch wirklich zutrauen, so etwas zu tun und zum Glück sieht man da immer mehr, dass das kommt, also das fängt an und ich sehe viele junge Menschen, die sich bereits schon engagieren, ja, traut euch noch mehr!
Sophie Anggawi:
Die europäische Seele muss jünger werden, sie muss frischer werden, das sagt Nini Tsiklauri. Vielen lieben Dank für unser Interview.
Nini Tsiklauri:
Vielen lieben Dank für die Einladung.
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Der Text wurde KI-gestützt transkribiert.