Werkstatt des queeren Romans: Mit Antje Rávik Strubel und Gunther Geltinger

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Foto beim Gespräch

© Rike Oehlerking

Die Auftaktveranstaltung im Wall-Saal der Bremer Stadtbibliothek Werkstatt des queeren Romans der Queer(L)it-Reihe war etwas ganz besonderes: Die Schriftsteller*innen Antje Rávik Strubel und Gunther Geltinger stellten nicht nur ihre Romane Benzin und Blaue Frau vor, sondern unterhielten sich im Gespräch auch über den Entstehungsprozess der Bücher und die Queerness ihres Schreibens.

Erst wenige Jahre sind vergangen, seit queere Literatur überhaupt Zugang zum deutschen Buchmarkt gefunden hat und nicht nur als Nischenliteratur wahrgenommen wurde. Von Antje Rávik Strubel und Gunther Geltinger möchte die Moderatorin Esther Willbrandt wissen, was für sie denn queere Literatur sei. Das Gespräch dreht sich gleich zu Beginn um den sogenannten ‚queeren Blick‘ und die Merkmale queerer Ästhetik. Gunther Geltinger weist in dem Zusammenhang auf die Wortbedeutung ‚durchkreuzen‘, ‚durchqueren‘, die das Wort ‚queer‘ auch enthält, hin. Queere Literatur sein für ihn auch bewußt als Störfaktor gesetzt, um die bestehende, heteronormative Ordnung zu unterlaufen.

"Die Loslösung von festen Identitätsstrukturen bedeutet binären Konstrukten wie Geschlecht zunächst einmal zu misstrauen."

- Antje Rávik Strubel

Zunächst liest Antje Rávik Strubel aus ihrem Roman Blaue Frau, für den sie 2021 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Im anschließenden Gespräch geht es um die Kraft und Bedeutung von Namen und die Setzung von Pronomen. In Strubels Blaue Frau hat die Protagonistin beispielsweise ganz unterschiedliche Namen, sie durchläuft mehrere „Metamorphosen“, wie Geltinger es nennt. Die deutsche Sprache sei ein stark limitierender Faktor für das queere Schreiben, konstatieren beide Autor*innen.

© Rike Oehlerking

Für das Publikum hat die Buchpreisträgerin mehrere Fotos einer Bilderreihe der finnischen Künstlerin Rosa Liksom mitgebracht. Zu sehen sind verschneite finnische Landschaften, die durch verschleierte Personen in leuchtend blauen Gewändern ins Irreale verzerrt werden. Die Fotos seien nicht nur eine Inspiration für ihren Roman gewesen, erzählt Antje Rávik Strubel, sie habe sie sogar in das Büro einer wichtigen Romanfigur hineingeschrieben.
Gunther Geltingers Lesung schließt sich an die Fotopräsentation an. Er zeigt im Anschluss einen Videoclip und ein prägnantes Foto von seiner eigenen Reise durch Simbabwe, das sich leitmotivisch durch seinen Roman zieht, weil es die postkolonialen Strukturen in den afrikanischen Ländern drastisch aufzeigt.

Esther Willbrandt bemerkt im letzten Teil der Gesprächsrunde, dass in beiden Romanen das Wasser eine wichtige Rolle spiele. In Benzin  steht der Wasserfall, genauer die Viktoriafälle, die der Protagonist Vinz mit seinem Mann besucht, für eine Obsession, der Vinz unterliegt, wie Geltinger ausführt. Antje Rávik Strubel, die selbst ein halbes Jahr, wie ihre Protagonistin Adina, in einem Plattenbau in Helsinki verbracht hat, erzählt, dass die Stadt an vielen Stellen von Wasser umgeben ist. Dort sei ihr auch die Blaue Frau das erste Mal begegnet und damit die ersten Sätze ihres Romans.

Die Moderatorin Esther Willbrandt fragt gegen Ende nochmal, ob es, queere Literatur betreffend, vielleicht eher die Kunst sei wegzulassen, als ersetzen zu müssen. Gemeint sind hier explizite Geschlechter- und Sexualitätszuordnungen. Für Geltinger ist es wichtig, Leerstellen beim Schreiben bewusst zu setzen, die die Lesenden selbst füllen können. Gemeint sei aber kein Vakuum, durch das die Schweigespirale fortdauere. Momentan sei es noch wichtig, erwidert Antje Rávik Strubel, queere Verhältnisse explizit zu benennen. Ihre Hoffnung ist es, dass Menschen perspektivisch die Leerstelle selbst füllen können.

Zum Abschluss des Abends lesen Strubel und Geltinger jeweils noch eine kurze Passage aus ihrem Roman, bevor das inspirierende Werkstattgespräch endet und die Autor*innen ihre Bücher signieren.

Text: Marita Suhr


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