queerupyourlife #7: Queere Geschenktipps für Weihnachten

von Linus Giese

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Am Sonntag ist Erster Advent und ich habe mich selbst ein bisschen darüber erschrocken, als ich das vorhin in meinem Kalender sah – dieses Jahr ist einfach so schnell vergangen. Gleichzeitig dachte ich, dass das doch eine schöne Gelegenheit ist, euch in meiner Kolumne ein paar queere Geschenktipps zu geben.

Die Weihnachtszeit ist für viele queere Menschen nicht immer ganz einfach: Manche von ihnen sind noch nicht geoutet, wenn sie ihre Familie über die Weihnachtsfeiertage besuchen – oder besuchen eine Familie, die wenig Verständnis für ihre Lebensrealität hat. Manche stoßen bei ihren Besuchen zu Hause auch auf Angst oder Ablehnung, und viele fürchten sich vor schmerzhaften Diskussionen am Weihnachtstisch.

Deshalb gibt es von mir die ultimative Wie-überlebe-ich-den-Weihnachtsbesuch-bei-meiner-Familie-Geschenkeliste, los geht‘s:

Cover des Ratgebers "Queer. Eine illustrierte Geschichte"

Der Sachcomic Queer: Eine illustrierte Geschichte von Meg-John Barker und Jules Scheele bietet eine niedrigschwellige Einführung in die Queer-Theorie und die Geschichte des LGBTQ-Aktivismus. Durch das Comicformat bleibt das Thema zugänglich und ist für alle Eltern geeignet, die sich nicht sicher sind, was eigentlich das Wort queer bedeutet und das alles für einen neumodischen Trend halten.

Cover des Ratgebers "Feminism is for everyone"

Das kleine Büchlein Feminism is for everyone klingt aufgrund des Titels zwar nach einem englischen Buch, ist aber tatsächlich eine deutschsprachige Einführung in feministische Themen: Es geht um Sexismus, Rassismus und Transfeindlichkeit – das Buch ist so knapp und kompakt, dass es wahlweise in die Hosen- oder Jackentasche passt. Das Kapitel über Transfeindlichkeit hat übrigens die Autorin Felicia Ewert geschrieben. Ihr Buch Trans. Frau. Sein ist so gut, dass es eigentlich gleich mit dazu geschenkt werden könnte.

Cover von Tomasz Jedrowski: Im Wasser sind wir schwerelos

Im Wasser sind wir schwerelos ist wohl eines der schönsten und berührendsten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe. Der junge Autor Tomasz Jedrowski erzählt von Ludwik, der im Polen der 80er Jahre aufwächst. Als er merkt, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, ist er überfordert. Für das, was er empfindet, hat er am Anfang gar keinen Namen – er weiß nur, dass es ihm gefällt, Zeit mit Janusz zu verbringen. Im Wasser sind wir schwerelos ist ein wichtiges Buch über zwei Männer, die sich zu einer Zeit ineinander verlieben, als es das noch gar nicht geben durfte. Eine besondere Rolle in der Geschichte spielt das Buch Giovannis Zimmer von James Baldwin, wer das noch nicht kennt, kann es direkt danach auch noch lesen.

Cover des Buches "Die jüngste Tochter" von Fatima Daas

Das Buch Die jüngste Tochter von Fatima Daas hat auf dem Cover zwar das Wort Roman stehen, doch unterscheidet es sich von vielen herkömmlichen Romanen. Alle Kapitel beginnen mit den beiden Sätzen: „Ich heiße Fatima. Ich heiße Fatima Daas“, wodurch schon früh deutlich wird, dass dieser Roman in jedem Fall auch autobiographisch gefärbt ist. Es geht um Fatima, die als praktizierende Muslimin aufwächst, aber schnell merkt, dass sie sich von den Menschen um sie herum unterscheidet: Sie ist anders, sie begehrt anders. Sie interessiert sich nicht für Jungen, sondern für Mädchen. Über diesen Konflikt zwischen Herkunft und Begehren schreibt Fatima Daas in einer eindringlichen und ungewöhnlichen Stimme.

Cover des Bildbands "Come get your honey"

Come get your honey ist der großartige Bildband von Samet Durgun. Die Fotos darin erzählen die Geschichten von trans und queeren Geflüchteten in Berlin. Die Menschen, die Durgun auf seinen Fotos abbildet, werden in ihrer ganzen Komplexität gezeigt: Im Buch ist Platz für Lebensfreude, Lust am Entdecken, Lust an der eigenen Sexualität, genauso wie für den Schmerz über den Verlust der Heimat und das Ankommen in einer neuen Welt. 

Cover des Bildbands "We are everywhere"

Matthew Riemer und Leighton Brown erzählen in dem Bildband We are everywhere von der Geschichte der queeren Freiheitsbewegung: Die Fotos darin umfassen eine Zeitspanne von mehr als 100 Jahren und vermitteln die Hoffnung, dass mit dem Blick zurück auf die Vergangenheit der Blick in die Zukunft noch besser gelingen kann. Die Los Angeles Times sagt, dass We are everywhere das wahrscheinlich beste Coffee-Table-Book ist, das jemals erschienen ist – dem würde ich mich anschließen. Die Vorstellung, dass sich junge queere Menschen dieses Buch mit ihren Eltern am Weihnachtstisch anschauen, macht mich sehr glücklich!

Abschließend bleibt mir nur noch eines zu sagen: Auch das beste Weihnachtsgeschenk kann keine schwierige Diskussion verhindern. Deshalb bleibt es immer wichtig, auf sich selbst achtzugeben. Dafür wird gerne das neumodische Wort selfcare verwendet, stattdessen könnten wir auch Selbstfürsorge sagen. Selbstfürsorge über die Feiertage könnte für queere Menschen zum Beispiel bedeuten, dass ihr euch selbst etwas Schönes schenkt. Passt auf jeden Fall gut auf euch auf!

QUEER. EINE ILLUSTRIERTE GESCHICHTE | Text: Meg-John Barker | Illustration: Jules Scheele | Übersetzung: Jen Theodor | COMIC-SACHBUCH Unrast Verlag | Münster 2020 | 184 S. | €16,80

FEMINISM IS FOR EVERYONE | Laura Hofmann, Felicia Ewert, Fabienne Sand | SACHBUCH Dressler Verlag | Hamburg 2021 | 80 S. | €7,00

IM WASSER SIND WIR SCHWERELOS | Tomasz Jedrowski | Übersetzung: Brigitte Jakobeit | ROMAN Hoffmann und Campe | Hamburg 2021 | 224 S. | €23,00

DIE JÜNGSTE TOCHTER | Fatima Daas | Übersetzung: Sina de Malafosse | ROMAN Ullstein Verlag | Berlin 2021 | 192 S. | €20,00

COME GET YOUR HONEY | Samet Durgun | BILDBAND Kehrer Verlag | Heidelberg 2021 | 144 S. | €39,90

WE ARE EVERYWHERE | Matthew Riemer und Leighton Brown | BILDBAND Penguin Random House  | New York 2019 | 368 S. | €40,00


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